Das entscheidende Hindernis für eine Einwanderung aus mitteleu-
copäischen - und damit auch deutschsprachigen —- Ländern dürften
aber sprachliche, kulturelle und politische Unterschiede zwischen
Kanada und den USA gewesen sein.
Kanada war ursprünglich Siedlungsland der Franzosen, die zu
Beginn allerdings nur zögerlich davon Besitz ergriffen. Der Seefahrer
Jacques Cartier hatte im Auftrag des französischen Königs Francois I.
bereits 1534, 1535 und 1541 das Mündungsgebiet um den Sankt Lo-
renz-Strom erforscht und ihm auf seiner zweiten Reise den Namen
«Canada» gegeben. Es sollte aber über sechzig Jahre dauern, bis
Samuel de Champlain den ersten französischen Stützpunkt errichtete,
aus dem sich später die Stadt Quebec entwickelte. Wiederum einige
Jahrzehnte später wurde Montreal gegründet, das sich bald zum Zen-
rum des Pelzhandels entwickelte, dem anfänglich einzigen Wirt-
schaftszweig der 1663 errichteten Kolonie «Nouvelle France».
Auch die Engländer unternahmen im 16. und 17. Jahrhundert See:
fahrten an die Ostküste von Kanada, die eigentliche Besiedlung begann
aber erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts, als in Neuschottland der
Marinestützpunkt Halifax errichtet wurde. Französische und englische
Interessen prallten nun zunehmend aufeinander und führten zum Sie-
benjährigen Krieg, der nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika
geführt wurde, wo 7’000 französische Soldaten einem übermächtigen
englischen Heer von 23’000 Mann gegenüberstanden. Im Frieden von
Paris (1763) musste Frankreich seine kanadische Kolonie an die
Engländer abtreten. Damit kamen rund 60’000 französische Kanadier
unter britische Herrschaft. Erst 1774, als sich in den 13 südlichen Pro-
vinzen - den Gründerstaaten der heutigen USA —- Unabhängigkeitsbe-
strebungen bemerkbar machten, konzedierte das britische Parlament
seinen französischen Untertanen im Quebec Act die Beibehaltung ihrer
Sprache und der katholischen Religion.
Die Einwanderung aus England blieb zunächst gering. Das änderte
sich erst mit dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges
(1775-1783), als rund 50’000 sogenannte Loyalisten, die sich der briti
schen Krone verpflichtet fühlten, den Vereinigten. Staaten den Rücken
kehrten, und sich in Kanada ansiedelten. Die nächste Einwanderungs-
welle erfolgte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als rund
750’000 Bürger die Britischen Inseln in Richtung Kanada verliessen.
1867, als die kanadischen Provinzen zu einer Föderativen Union unter
britischer Krone zusammengefasst wurden, waren 65 Prozent der
Bevölkerung britischer Herkunft, die britische und französische Bevöl-
kerung zusammengenommen, machte über neunzig Prozent aus.
Diese sprachliche Dominanz, aber auch die Tatsache, dass das
Dominion of Canada monarchisch orientiert und von Grossbritannien
Franz Fehr, kurz vor der
Auswanderung im Jahr
1923
Die Auswanderung nach Kanada und Südamerika