Von Armut und Heimweh
Nicht immer gelang der Start in der neuen Heimat so gut wie in den
hier geschilderten Fällen. Es gab in der Pionierzeit manchen — auch
:jechtensteinischer Herkunft -, der im gelobten Land in Armut versank
der an Heimweh verzweifelte. Drei Fälle mögen dies belegen.
1852 war der Balzner Franz Josef Brunhart zusammen mit seiner
Tochter Franziska ausgewandert. Die beiden gehörten zu jener Grup-
pe, die am 7. Mai 1852 in New York an Land gegangen war.”
Während das Schicksal der Tochter nicht bekannt ist,”°? liess sich der
Vater mit Sicherheit in Clayton County nieder, von wo er 1870 ent-
täuscht und verbittert aus dem Armenhaus folgenden Brief nach Hau-
se schrieb: «Poor House Farm, Red Post Office, Clayton Co. - Iowa den
20. Decembre 1870 - Meine lieben Töchter! - Weil ich gerade in die-
sem Augenblicke Gelegenheit habe, Euch wiedereinmal einige Nach:
richten von mir, Euerer greisen Vaterhand aus meiner neuen Heimat
hinüber zu senden, so will ich es nicht versäumen, dies zu thun. Ich
spreche damit die frohe Hoffnung aus, in der kürzesten Zeit von Euch
eine Antwort hier zu sehen. Es thut mir allerdings wehe, Euch nicht
zum Voraus auf eine recht frohe u. angenehme Nachricht gefasst
machen zu dürfen u. würde lieber, wenn ich Alles ruhig überdenke, die
Feder gänzlich in Ruhe lassen; aber die Art u. Weise, wie Euere
Schicksale sich seit meinem Weggange aus dem alten Vaterlande bis
auf diesen Tag sich gestaltet haben, beunruhigt meine grauen Haare
zu sehr, als dass ich länger mich fassen könnte, Euch ohne einige Zei-
len zu lassen u. darum will ich, so schwer es mir auch fällt, die bittere
Arbeit übernehmen. — Ihr wisst es Alle wohl, meine theuren Kinder,
dass in diesem schönen Lande mich das Glück mit seinen Schicksalen
nie beschert hat, dass mich vielmehr Noth u. Armuth heimgesucht u.
nun seit mehreren Jahren schon das graue Alter mit seinen Sorgen
und Mühen dazu getreten ist, ja dass ich es schwer zu büssen habe, so
leichtsinnig von euch weggegangen zu sein, um eine reiche Zukunft
hier zu finden. Glücklicherweise hat mir der Himmel so viel Kraft
geschenkt, dieses Schicksal mit Geduld zu übernehmen und mit Ver-
trauen zu ertragen u. ich bitte euch dafür gerade auf diesen bittern
Kelch, den Ihr aus diesen trüben Zeilen zu leeren habt, nicht zu verza-
gen; vertraut vielmehr auf meine Aussage, dass dieser Brief nicht
dazu berechnet ist, um aus Eueren lieben Händen Hülfe zu bitten oder
gar zu - erpressen; seid vielmehr versichert, dass ich selbst in der
grauen Noth mit meinem Schicksal zufrieden bin u. keine Hülfe bedarf
noch irgend welche verlange. - Ich weiss, dass aus dem, was ich noch
in der alten Heimat besass, ein bedeutender Theil noch nicht flüssig
gemacht ist. Es würde mir die grösste Freunde sein, Euch die vollkom-
menste Gelegenheit in die Hände zu geben, darüber nach Euerem
Liechtensteiner in Amerika
af