litten beide unter ihrer zerrissenen Liebe. Kaum aber hatte der Liebesgott
seine Wunde auskuriert, wofür er eigens von seiner Mutter im Hause einge-
sperrt worden war, da entschlüpfte er durch das Fenster seines Schlafgema-
ches, so unerträglich war die Sehnsucht nach der Geliebten, und eilte zu Psy-
che. Gleich aber verließ er sie wieder, da sie noch immer strafenden
Prüfungen der Venus Gehorsam zu leisten hatte, und begab sich zu Jupiter,
vor dessen Füßen er sich niederwarf, um seine Gnade zu erbitten. Obschon
der höchste Gott zunächst hervorhob, daß auch er selbst nur allzu oft ein
Opfer Amors gewesen sei, wofür er ihn tadelte, so gefiel er sich doch in der
Rolle des gutherzigen Großvaters und Erziehers und berief rasch die Göt
ter zu einer Versammlung ein. Es schien ihm durchaus ratsam, den zügello-
sen Knaben durch das Band der Ehe zu mäßigen, und unverzüglich wurde
Merkur beauftragt, die aus den Fängen der Venus entlassene Psyche in den
Himmel zu führen. Hier reichte ihr Jupiter einen Becher Ambrosia und
sprach die wichtigen Worte: «Nimm, Psyche, und sei fortan unsterblich! Nie
wird sich Cupido aus den Banden, die ihn an dich knüpfen, lösen, sondern
ihr seid vermählt in Ewigkeit!» Ein großes Hochzeitsfest wurde gefeiert, an
dem nicht nur sämtliche Götter, sondern auch die Horen und Grazien teil-
nahmen, die alles mit Rosen bestreuten und mit Balsam besprengten. Apol-
lon sang zur Leier, ein Satyr blies Flöte und Pan spielte die Rohrpfeife. Und
selbst Venus schien nun zufrieden, denn sie «tanzte elegant im Gleichschritt
zur lieblichen Musik». Als aber schließlich die rechte Zeit gekommen war,
da wurde den jung Vermählten eine Tochter geboren, der sie den Namen
«Lust» gaben.
In das Rund eines Zirkelschlages bindet Rubens den schönster Au-
genblick des Märchens ein — jenen, da Amor auf himmlischen Wolken seine
Geliebte, die Königstochter Psyche, in Gegenwart von Jupiter, Juno, Venus
und den drei Grazien aus den Armen des Merkur empfängt und sie zu sel-
ner Gemahlin macht, indem er ihr den von den Grazien gewundenen Braut-
kranz außetzen wird. Über ihm thront erhaben der weise Göttervater, die
Rechte majestätisch auf das Zepter gelegt. Nicht dieses aber, sondern das
Blitzebündel, das der ihn begleitende Adler mit den Krallen umfaßt, garan-
tert ihm die Herrschaft über die Welt. Zur Linken Jupiters, von Wolken halb
verdeckt, sitzt Juno, seine Ehefrau, die, so darf wohl ihr Blick gedeutet wer-
den, durchaus mit Interesse und dennoch ohne große innere Beteiligung
dem Geschehen beiwohnt, geht es doch hier um eine «Affäre», die sie, in
Anbetracht der vielen amourösen Abenteuer ihres Mannes, gottlob nicht
selbst betrifft. Venus hingegen, die zur Rechten Jupiters steht, scheint weni-
ger unbeteiligt. Mit Groll mag sie es sehen, daß ihre Widersacherin das Wohl-
wollen des höchsten Gottes gefunden hat und als ursprünglich Sterbliche
unstandesgemäß die Braut ihres Sohnes und damit zugleich ihre Schwieger-
tochter wird. Wenn sie sich auch gebieterisch hinter Amor aufpflanzt, so
kann sie dennoch nicht verhindern, daß Merkur mit strampelnd um Auf-
trieb bemühten Beinen und der zusätzlichen Hilfe eines Putto bedürfend,
den noch irdisch schweren Leib der Psyche seinem Ziel entgegenführt —
dem knabenhaften Gott der Liebe, welcher mit der Linken, die lang und län-
ger werden möchte, die Geliebte willkommen heißt, mit der Rechten nach
dem Brautkranz greift, den ihm die sinnlich schönen Grazien überreichen.