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Peter Paul Rubens (1577-1640)
Die Aufnahme der Psyche
in den Olymp
(ca. 1621/22)
Holz; 63,2 x 47,8 cm
Inv. Nr. G 117
Erworben: vermutlich vor 1712
durch Fürst Johann Adam Andreas I.
beitung des Stoffes dient allein der Sichtbarmachung eines unheilvollen Ge-
schehens. Kaum findet das Auge Gefallen an der Form, da widerstrebt schon
die Vernunft, das wertende Urteil, dem Inhalt. Der das Gefäß bekrönende
Deckel enthält nun den für das Thema des Relief-Frieses passenden Kom-
mentar. Es tummeln sich dort zunächst, in einem dichten Geflecht aus Ran-
ken und Bändern, kleine nackte Eroten, die kleine Mädchen mit ihrem Lie-
beseifer bedrängen. Andere wiederum spielen mit viel zu großen Waffen, wie
es uns etwa aus Botticellis Gemälde der Venus und des schlafenden Mars ver-
traut ist.? Dann aber zieht sich eine lateinische Inschrift, verteilt auf drei ver-
schiedene Bänder, über die Szene hinweg: MARS STERNIT PRATA /
SED HIC VICTORIA / PARTA, was sinngemäß übersetzt heißen könnte:
Mars zertritt die Wiesen, doch wird hier der Sieg geboren. Die zerstöreri-
sche Macht des Kriegsgottes, der erbarmungslos über Gräser und Blumen
hinwegschreitet, wird hier betont, eine Gewalt, die sich fortsetzt in dem Be-
fehl seines Sohnes Romulus, die jungen Frauen des sabinischen Nachbar-
volkes zu rauben. Der zweite Teil der Inschrift verweist jedoch auf den Sieg
der Liebe, denn der Fortbestand des römischen Volkes war zweifellos Amor,
dem stärksten Gott, zu danken. Folglich triumphiert nun dieser, mit Bogen
und Köcher, über den zu Boden geworfenen, mit Helm, Rüstung, Schild
und Schwert bewaffneten Mars, dessen kindliche Gestalt derjenigen seines
Widersachers, der rittlings über ihm sitzt, entspricht. «Omnia vincit Amor,
et nos cedamus Amori», Amor besiegt alles, und auch wir weichen dem Amor
— so scheint Rauchmiller hier Vergil ergänzend zitieren zu wollen? Einen
grausamen Gott aber beschreibt der rómische Dichter, den Kummer und
Trànen nicht rühren, was auch für Rauchmillers Amor gelten mag, der sich
wild und schamlos gebárdet und die obszóne Geste seiner linken Hand mit
einem frechen Lächeln begleitet. Nicht tatsächliche Liebe feiert hier also den
Sieg, sondern liisterne Triebhaftigkeit, die sich rücksichtslos ihr Recht ver-
schafft. Sehen wir uns durch diesen «rdischen Amor», dem nichts Gottliches
eignet, zynisch getiuscht, da er zwar Mars unterwirft, doch gleichwohl auch
selbst nur Unglück stiftet? Verbirgt sich in dieser Frage der traurige Sinn ei-
nes Kunstwerkes, das doch den Sinnen Freude bereiten will?
23 Die Aufnahme der Psyche in den Olymp
Zur ungetrübten Freude des Auges wie auch des Gemütes schuf Ru-
bens das Bild von der Vermählung Amors mit Psyche nach einem Märchen
des römischen Dichters Apuleius (geb. um 125 n. Chr.).' Schon die literari-
sche Quelle will nicht so sehr belehren als vielmehr unterhalten. Gleichwohl
ist Erkenntnis das Ziel der Handlung, die ihren Höhepunkt in eben jenem
Moment findet, den Rubens hier festhält. Wollen wir die einzelnen Gestal-
ten sowohl namentlich als auch bezüglich ihrer im Bild geschilderten Ver-
fassung richtig deuten, so ist ein kurzer Einblick in das Kerngeschehen des
Märchens vonnöten.
Psyche, Tochter eines Königs in einer «gewissen Stadt», war von solch
unbeschreiblicher Schönheit, daß die Menschen über den Wunsch, sie zu se-
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