lich, wie ein Vergleich mit anderen Werken von Rubens zeigt.” Durchaus
selbstverständlich will jedoch der im Bild vorherrschende Bewegungsdrang
von links nach rechts erscheinen und gleichsam auch natürlich, daß Rhea
Silvia ihre Rechte auf jene Seite der Brust legt, wo ihr Herz schlägt.
Es ist ein besonderes Glück, daß zu dem seit 1710 in den Fürstlichen
Sammlungen befindlichen Gemälde von Mars und Rhea Silvia die voraus-
gegangene und ausschließlich von der Hand des Meisters selbst erstellte Ent-
wurfsskizze im Jahre 1977 hinzu erworben werden konnte. Bis zu diesem
Zeitpunkt war der direkte Vergleich zwischen einer Skizze und einem fer-
tigen Werk von Peter Paul Rubens nur im Kunsthistorischen Museum zu
Wien möglich. Schon ein flüchtiger Blick auf beide Gemälde läßt erkennen,
daß der Skizze, trotz ihres sehr viel kleineren Formates, eine größere Vitali-
tät und Frische innewohnt. Die Pinselstriche sind spritziger, die Bewegun-
gen heftiger, ja überzeugender. Kommt nicht hier die stürmische Annä-
herung des Mannes besonders sinnfällig zur Anschauung? Auch die Farben
sind, bei aller Verhaltenheit, leuchtender. Herrlich, wie der rote Umhang des
Mars sich vor dem Blau des Himmels bauscht, zugleich das ungestüme We-
sen des Gottes unterstreicht, wie aber gegen diese beiden Farben auch das
Weiß und Gelb der weiblichen Gewänder an Intensität gewinnen. In allem
mag wohl der Entwurf, welcher gleichermaßen routiniertes Können und
spontane Schöpferkraft verrät, dem fertigen Werk überlegen sein, an wel-
chem noch dazu der Anteil der Mitarbeiter des Meisters gewiß nicht uner-
heblich ist. Und doch möchte man in einem Punkt dem größeren Gemälde
den Vorzug geben — ist nicht hier der Gesichtsausdruck des Mannes milder,
jener der Frau erotischer, wie es wohl Liebenden entspricht? Hat Rubens
gerade hier vielleicht noch letzte Hand angelegt?
22 Der Raub der Sabinerinnen
Wie Mars, der Gott des Krieges, von Amor, dem Gott der Liebe,
nicht im Herzen, sondern physisch bezwungen wird, führt uns Matthias
Rauchmiller mit erzählerischem Überschwang vor Augen. Sein 1676 datier-
ter und mit vollem Namen signierter Prunkhumpen aus Elfenbein thema-
tisiert im Relief des Gefäßzylinders den Raub der Sabinerinnen — ein histo-
risches Ereignis, welches, wie wir durch das vorausgegangene Gemälde
(siehe Nr. 20) erfahren haben, einen mythologischen Kern in sich birgt. Die
von Romulus und Remus, den Söhnen des Mars und der Rhea Silvia, ge-
gründete Stadt Rom wurde von Männern besiedelt, denen es aufgrund
ihres zweifelhaften Rufes nicht gelang, heiratswillige Frauen zu finden. Ent-
schlossen, der noch jungen Stadt eine Zukunft zu sichern, verbreitete Ro-
mulus das Gerücht, daß der Altar eines Gottes gefunden worden sei, zu des-
sen Ehren die Einwohner der Stadt und der ländlichen Umgebung ein Fest
feiern sollten. Mit seinen Gefolgsleuten hatte Romulus zuvor jedoch ver-
einbart, die Männer der benachbarten Sabiner, welche der Einladung ohne
Waffen nachkamen, gewaltsam zu vertreiben und ihre Töchter zu rauben.!
Dieser kriegerische Überfall auf die jungen Frauen, denen fortan der römi-
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Matthias Rauchmiller (1645—1686)
Der Raub der Sabinerinnen
(Wien, 1676)
Elfenbein; Höhe: 34,5 cm
Bezeichnet am unteren Rand
in erhabenem Schnitt:
ANNO 1676 MATHIAS
RAVCHMILER FECIT
Inv. Nr. S 326
Erworben: 1707 durch Fürst
Johann Adam Andreas I.