Mars
Mars (griech. Ares) war der Gott des Krieges. Nichts anderes stand
ihm zu Gebote, Folgt man Hesiod, so war er der einzige Sohn von Zeus
(röm. Jupiter) und seiner rechtmäßigen Gattin Hera (röm. Juno). Homer
nennt Eris seine Schwester, die Göttin der Zwietracht, des Kampfes und des
Streites, welche nicht selten für kriegerische Auseinandersetzungen den An-
stoß gab (siehe Nr. 31). Gleich schon in Homers Ilias gebärdet sich Mars, der
«männerverderbende» und «rasende Störenfried», als prahlerische, zugleich
aber wehleidige Gestalt und wird somit der Lächerlichkeit preisgegeben.
Selbst bei den Göttern war er unbeliebt, und sein eigener Vater spricht, als
Mars sich bei ihm über eine während des trojanischen Krieges durch Athena
erlittene Wunde beschwert, die deutlichen Worte: «Du bist mir sehr verhaßt
von den Göttern hier im Olympos; immer ist der Streit dir lieb und die
Kriege und Schlachten.»! Mars war nicht wählerisch, der Krieg ihm Selbst-
zweck, weshalb er gerne und schnell die Seiten wechselte, mal für diesen,
mal für jenen Partei ergriff. Die Athener, welche, wie Robert von Ranke-
Graves schreibt,? den Krieg verachteten und nur zur Verteidigung ihrer Frei-
heit gelten Leßen, beurteilten die Thraker — Mars war thrakischer Herkunft
— als Barbaren, da sie Kriege aus Zeitvertreib führten. Spätere Dichtung, wie
etwa der kleine Hymnos an Ares aus vermutlich hellenistischer Zeit, be-
schwört jedoch ausschließlich gute Eigenschaften des Kriegsgottes. Dort ist
ar Beschützer der Städte, Zwingherr widriger Mächte, Führer gerechtester
Männer, König des männlichen Muts, Helfer der Menschen und Spender
blühender Jugend. Der solches Lob verteilte, beabsichtigte freilich, die-Gurst
und den Beistand des Gottes in bevorstehender Schlacht zu gewinnen, die
ihn zum Krieger machte, obgleich er sich wünschte, «zu weilen in sanften
Sitten des Friedens, feindlicher Wut zu entgehen und den zwingenden Lo-
sen des Todes».
Als der genuesische Bildhauer Giacomo Antonio Ponsonelli zwischen
1695 und 1700 für das Wiener Gartenpalais des Fürsten Johann Adam An-
dreas I. von Liechtenstein die Marmorbüste des Mars im Rahmen eines auf-
wendigen Dekorationsprogrammes schuf, da gesellte er dem Kriegsgott die
Liebesgöttin Venus als Pendant und zwei weitere mythologische Paare hinzu,
die wir dank Vincenzio Fantis Galeriekatalog von 1776 namentlich nennen
Können: Ceres und Flora sowie Diana und Endymion. Mars hatte zwar keine
Gemahlin, doch etliche Geliebte. Und gerade Venus, die Göttin der Liebe,
fühlte sich vom Gott des Krieges unwiderstehlich angezogen, zu dem doch
alle anderen Götter, sieht man von Eris (röm. Discordia) ab, lieber Abstand
hielten. Für ihre amourösen Abenteuer mit Mars hinterging Venus ihren
Gatten Vulkan (griech. Hephaistos), den lahmen Schmiedegott. Dieser aber
hatte in Sol, dem Sonnengott, einen auskunftsfreudigen Informanten, denn
auf einer seiner täglichen Reisen mit dem Sonnenwagen über das Himmels-
gewölbe, so berichtet Homer,* sah Sol Mars und Venus im Hause des Vul-
kan vergnüglich das Lager teilen, und ohne zu zögern erstattete der Sonnen-
gott dem Betrogenen darüber Bericht. Sofort sanrı Vulkan auf listenreiche
Rache und schmiedete ein Netz aus unauflöslichen Ketten, das er um die
Pfosten des Bettes legte, «zart wie Spinnengewebe, die keiner zu sehen ver-
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Giacomo Antonio Ponsonelli
‘1649 oder 1654-1735)
Mars
‘Genua, ca. 1695-1700)
Marmor; Höhe: 68,5 cm
"nv. Nr. S 9
Zrworben: vermutlich nach Auftrag
durch Fürst Johann Adam Andreas I.
vom Künstler