Volltext: "Götter wandelten einst..."

licher Gestalt erscheinen, vermögen die Menschen sich in ihnen zu spiegeln, 
im Göttlichen das Menschliche wahrzunehmen, im Menschlichen aber zu- 
gleich auch das Göttliche. Das Wesen und Wirken der Götter ist daher nicht 
‚ebloser Gegenstand abgehobener Betrachtung von Eingeweihten, sondern 
sprudelnder Quell greifbarer Erkenntnis, die sich jedem mitteilt, der den 
Unsterblichen mit offenen Sinnen gegenübertritt. 
Über Jahrhunderte hinweg haben auch die Fürsten von Liechten- 
stein immer wieder reges Interesse an den Göttern und Helden des klassi- 
schen Altertums gezeigt. In Werken der bildenden Kunst, die sie sammelten 
oder in Auftrag gaben, nahm dieses Interesse schöpferische Form an, welche 
sowohl der Veranschaulichung fürstlichen Selbstverständnisses als auch dem 
Bedürfnis nach gesellschaftlicher‘ und kultureller Repräsentation diente. 
Große Gemäldezyklen und Fresken mit Themen aus der antiken Mytholo- 
gie, wie sie in der Blüte des Barock von Franceschini, Bellucci, Rottmayr 
und Pozzo in den Residenzpalästen zu Wien geschaffen wurden, legen hier- 
von einprägsames Zeugnis ab. In herrlichen Bildern, reich an Farben und 
Figuren, kommen die Unsterblichen zur Erde herab, damit sie von Sterb- 
lichen gesehen und erkannt werden, die sich wiederum in ihnen sehen und 
erkennen wollen. Und gleiches gilt für die überschwengliche Fülle des stets 
noch wachsenden Sammlungsgutes, aus dem die gegenwärtige Ausstellung 
schöpft, gilt für Werke von Künstlern wie Rembrandt, Rubens, Jordaens, 
Batoni, Duquesnoy, Susini, Rauchmiller, Soldani und anderen, die, damals 
wie heute, das Auge bestechen durch Qualität und den Geist verzaubern 
durch Geschichten — Geschichten von Göttern und Menschen, Heroen und 
JIngeheuern; von Gefahr und Errettung, Stärke und Mut; von Liebe und 
Leidenschaft, Verwandlung und Tod; von Frevel und Strafe, Versöhnung und 
Glück; von Tugend und Herrschaft, Gnade und Recht. 
Die Bewohner des Himmels sind unsere ewigen und unverzichtbaren 
Begleiter. Zwar führen sie, die Alleserhaltenden, uns nie des ebenen Pfads, wie 
Hölderlin schreibt und an sich selbst erfährt, doch zeigen sie eine mögliche, 
sine sinnvolle Haltung zum Leben auf, auch dort, wo sie fehlgehen: Alles 
prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen, /Daß er, kräftig genährt, danken für Alles 
lern, /Und verstehe die Freiheit, /Aufzubrechen, wohin er will.
	        

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