Volltext: "Götter wandelten einst..."

Frauen als Verhängnis. Er kann sie vergewaltigen, wie es mit Auge geschieht; 
er kann fünfzig während einer Nacht schwängern, wie es mit den Töchtern 
des Thespios geschieht; er kann zu ihrem Sklaven werden, wie es bei Om- 
phale geschieht. In keinem Fall aber kann er sich ihre Weisheit zu eigen ma- 
chen. Er weiß nicht einmal, daß in ihnen die Weisheit zu finden ist, die ihm 
“ehlt. Tief in seinem Herzen hegt er einen dunklen Argwohn gegen die 
Frauen, als ahnte er voraus, daß das Geschenk einer Frau ihm den Tod brin- 
zen wird, und zwar einen qualvollen Tod.»? 
Die Schriftsteller des klassischen Altertums sahen in der Geschichte 
von Herkules und Omphale ein mahnendes Beispiel dafür, «wie leicht ein 
starker Mann durch eine lüsterne und gierige Frau zum Sklaven werden 
kann», ungeachtet der Tatsache, daß Herkules aus Gründen der Sühne und 
Heilung Sklave werden mußte und erst dann zum Geliebten seiner Herrin 
wurde. Auch bei Peter van Lint steht die erotische Beziehung und der Rol- 
‚entausch zwischen Mann und Frau im Mittelpunkt des Gemäldes. Beide be- 
gegnen einander vor der grandiosen Bettstatt des königlichen Palastes — 
Omphale stehend, im Gestus der Einladung, mit Keule und Löwenfell aus- 
gestattet, Herkules auf der Kante des Bettes sitzend — es scheint, als knie er 
nieder —, mit Spinnrocken und Spindel hantierend. Ist sein auf die Frau ge- 
-ichteter Blick unterwürfig und mißtrauisch? Ist er begehrend? Eroten trei- 
sen in Anwesenheit Amors ihr Spiel mit ihnen. Sie zupfen am Fell und an 
den Sandalen und bereiten keck das Paar auf die Teilung des Lagers, auf die 
Liebe vor. Nicht ohne Sinn bekrönt die Statuette der Venus,* von einer Mu- 
schel hinterfangen, das Kopfende des Bettes. Daß der Maler sie ursprünglich 
an anderer Stelle plaziert hatte, zeigt ein gut sichtbares Pentiment im ver- 
waschenen Purpur des Vorhangs. Und auch an Merkur erinnert van Lint. 
Die Statue des Götterboten, der Herkules zu Omphale begleitete, steht in 
siner Nische der Palastarchitektur. In seiner erhobenen Rechten hält er ei- 
nen Beutel, in dem wohl das Geld zu vermuten ist, das die lydische Königin 
Air ihren Sklaven bezahlte. 
48 Orpheus und Herkules in der Unterwelt 
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ignaz Elhafen (1658-1715) 
Orpheus und Herkules 
in der Unterwelt 
(Wien, ca. 1680-1690) 
E]fenbein; 12,2x 17,7 cm 
Inv. Nr. S 510 c 
Srworben: vermutlich vor 1712 
durch Fürst Johann Adam Andreas I. 
V on menschlicher Größe und außergewöhnlicher Tapferkeit zeugte 
Herkules’ selbstlose Entscheidung, Alkestis, die Gattin seines Gastfreundes 
Admetos, der Unterwelt zu entreißen und ins Leben zurückzuführen. Doch 
was ging voraus, und was veranlaßte den Bildschnitzer Ignaz Elhafen, in sei- 
1em Elfenbeinrelief die Geschichte von Herkules und Alkestis mit der Ge- 
schichte von Orpheus und Eurydike zu verknüpfen? 
Wegen eines schweren Vergehens mußte Apollon auf Geheiß des Ju- 
piter Knechtsdienst bei Admetos, dem König von Pherai in Thessalien, lei- 
sten — ein Gott bei einem Sterblichen. Und der Gott verliebte sich in seinen 
zütigen Herren und wagte für ihn, was nicht einmal Jupiter gewagt hätte: er 
verschob die Grenzen des Todes. So groß war die Liebe des Apollon zu Ad- 
metos, daß die Schicksalsgöttinnen dem König den Aufschub seines Todes- 
datums zusagten, vorausgesetzt, er finde jemanden, der an seiner Statt zu ster-
	        

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