nerva im geeigneten Moment zur Geburt zu verhelfen. Einem Gedanken
gleich entsprang die Göttin somit dem Sitz des göttlichen Denkens. Der
Vernunft gebot sie und dem besonnenen Krieg, den Mars nicht kannte. Den
Künsten diente sie als Schutzherrin. Liebschaften mit Göttern und Männern
entsagte sie, ohne jedoch, wie etwa Diana, Abneigung gegen das andere Ge-
schlecht zu empfinden. Gerne half’sie klugen und mutigen Helden, wie etwa
Perseus und Odysseus. In Elhafens Relief bildet Minerva mit Venus und Juno
jene Dreiheit, der wir schon im Urfeil des Paris begegnet sind (siehe Nr. 31),
wo sich die Göttinnen im Wettstreit darum bewarben, den goldenen Apfel
der Eris (röm. Discordia) zu erhalten, der die Aufschrift «Der Schönsten»
trug. Auch hier also geben die drei sich ein Stelldichein, begleitet von Vul-
kan und Mars sowie von zahlreichen anderen männlichen und weiblichen
Gestalten, die namentlich nicht bezeichnet werden können. Sind es Götter
oder Menschen? An welchem Ort sind sie alle zusammengekommen und
aus welchem Grund? Zwischen einem mit Tuch drapierten Baum und der
Ruine eines Tempels fällt der Blick auf eine hügelige Landschaft. Auch sie
gibt keine Auskunft über den Schauplatz der Versammlung. Man muß sich
das Relief im Kontext einer heute nicht mehr erhaltenen Serie vorstellen.
die erst als ganze jeder einzelnen Szene ihren spezifischen Sinn verliehen ha-
ben wird.! Denkbar wäre auch ein Pendant, so daß sich die Darstellung in-
haltlıch zum Paar ergänzte.
42 Venus überreicht Aeneas die Waffen des Vulkan
Nachdem Venus von Vulkan die Waffen für Aeneas in Empfang ge-
nommen hatte (siehe Nr. 40), überreichte sıe diese ihrem Sohn, um ıhn in
der Schlacht gegen den Rutulerkönig Turnus unbesiegbar zu machen. Die
Begegnung von Venus und Aeneas ereignet sıch in freier Natur, im Schutz
von Bäumen und Felsen, am Ufer eines Gewässers, an welchem der Fluß-
gott Tiber lagert. Ihm ist die Kapitolinische Wölfin zugesellt, womit Pom-
peo Batoni nicht nur den Ort kennzeichnet, sondern zugleich einen Hin-
weis auf die künftige Entstehung des Römischen Reiches gibt, denn
Romulus und Remus, Aeneas’ spätere Nachfahren und Begründer der Stadt
Rom (siehe Nrn. 20/21), wurden als ausgesetzte Kleinkinder von der Wöl-
fin gesäugt.
Batoni folgt in der Schilderung des Themas nahezu wörtlich dem Text
der Aeneis von Vergil: «Aber Venus im Aethergewölk, die strahlende Göttin,
kam mit den Gaben heran, und als im entlegenen Tale abgesondert den Sohn
sie erspäht am kühlenden Strome, redete sie mit Worten ihn an und trat ihm
offen entgegen: «Schau nun, durch meines Gemahls verheißene Kunst ist
vollendet Dir dies Geschenk, so magst du nicht zaudern, die stolzen Lauren-
ter oder den heftigen Turnus heraus zum Kampfe zu fordern.» Also sprach
da die Göttin, den Sohn umarmend, und legte unter die Eiche vor ihm das
funkelnde Waffengeschmeide. Er, von der Göttin Geschenk und der großen
Ehre beseligt, kann nicht satt sich da sehen und richtet die Augen auf alles,
hocherstaunt ...»!
42
Pompeo Girolamo Batoni
(1708-1787)
Venus überreicht Aeneas
die Waffen des Vulkan
(1748)
Leinwand; 98,7x 73,5 cm
Bezeichnet unten rechts: P.B.1748
Inv. Nr. G 163
Erworben: durch Fürst
Joseph Wenzel