Energie wird in der Europäischen Union grundsätzlich als
Ware betrachtet, für die der allgemeine Grundsatz des
teien Warenverkehrs gilt. Die speziellen Eigenschaften
des elektrischen Stroms lassen es jedoch nur eingeschränkt
zu, Elektrizität wie jedes andere Gut zu behandeln.
Der lange Weg zur Richtlinie
Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass es nur sehr weni-
ge Gesetzesmaterien der Kommission gibt, die eine so
ange und so gegensätzliche Diskussion sowohl innerhalb
der EU-Gremien als auch in der Industrie und der Öffent
chkeit ausgelöst haben. Bereits im Jahre 1985 begann
die Europäische Kommission, Vorschläge für einen Binnen-
markt im Bereich der Elektrizität zu erarbeiten. Zirka 300
Vorschläge für Harmonisierungsmassnahmen wurden 1988
n einem Arbeitsdokument mit ‘dem Titel «Binnenmarkt für
znergie» aufgelistet. Dabei wurden die bestehenden Hin-
Jdernisse des Binnenmarktes für Energie festgeschrieben
und Möglichkeiten zum schrittweisen Abbau aufgezeigt
Zindeutiges Ziel dieses Arbeitsdokumentes war die Re
duzierung der Monopole in der Elektrizitätswirtschaft und
aine Liberalisierung des Marktes für Energie.
Auf dieser Basis legte die Kommission im Februar 1992
einen Richtlinienvorschlag vor, der am 1. Januar 1993 in
X<raft treten sollte. Gegen diesen Vorschlag wurden jedoch
‚ielfache Bedenken vorgebracht, so dass er letztendlich
weder für den Rat noch für das Europäische Parlament ak-
zeptabel war. Der Widerstand richtete sich vor allem ge-
gen mögliche Beeinträchtigungen der Versorgungssicher
heit, die Benachteiligung der nicht am Third Party Access
(TPA) Beteiligten und allgemein gegen den Aufbau eines
neuen grossen Regulierungsapparates.
Ein neuverlicher Vorschlag — diesmal mit dem Modell des
Negotiated Third Party Access (NTPA) — brachte in der Mi-
nisterratssitzung vom 10. Dezember 1993 ebenfalls keine
Entscheidung. Hauptgrund für die Verhandlungsschwierig
keiten waren im wesentlichen die unterschiedlichen Vorstel
ungen von Frankreich und Deutschland. Setzte sick
Deutschland (und auch Finnland, Schweden, die Nieder-
ande und Grossbritannien} für eine rasche Deregulierung
sowohl grosser als auch mittlerer Unternehmen ein, wollte
“rankreich diesen Prozess zunächst auf grosse Abnehmer
beschränken und auch am Versorgungsmonopol der Elec
ricit& de France {EdF} nichts ändern.
Zs dauerte noch bis ins Jahr 1996, bis einerseits Paris einer
Senkung der Schwellenwerte für Grossverbraucher zu-
stimmte und Bonn im Gegenzug das System des Single-