Schweinehaltung
n den 1880-er Jahren setzten als Folge der neuen
3ahnverbindungen grössere Importe junger Schweine
zus dem Inneren Österreichs ein. Die importierten
Schweine waren billig und viel schneller schlachtfähig
als das herkömmliche Landschwein. Der Schweine-
mport aus Österreich drängte die einheimische Nach
zucht zurück und brachte verschiedene ansteckende
Schweinekrankheiten ins Land. Durch Importverbote
ınd strenge gesundheitspolizeiliche Massnahmen
wurde allmählich eine Abnahme der Schweineeinfuhr
zus Innerösterreich erreicht, die schliesslich ganz auf-
hörte. Die einheimische Schweinezucht wurde gezielt
gefördert. Der Landwirtschaftliche Verein begann mit
aigenen Kreuzungsversuchen. Das einheimische Land:
schwein wurde mit englischen Yorkshire-Ebern ge-
kreuzt. Auch Kreuzungsversuche mit deutschen Edel
schweinen wurden vorgenommen. Infolge der Kreu-
zungen mit englischen Rassen war 1910 der herkömm-
liche Typus des Landschweins fast völlig verdrängt. Die
Eigenschaften der importierten englischen Schweine
natten sich durchgesetzt.
Gastgewerbe und Fremdenverkehr
Schenken und Gasthäuser waren noch in der ersten
Hälfte des 19. Jarhunderts in erster Linie auf den
durch das Land über die Bündner Pässe ziehenden
{talienverkehr ausgerichtet. Zoll- und Poststationen
sowie Umladeplätze für das Rodfuhrwesen waren die
günstigsten Standorte für Gastbetriebe. Die Wirtshäu-
ser standen mit wenigen Ausnahmen alle an der Durch
gangsstrasse oder an den zu den Rheinfähren und in
die benachbarte Schweiz führenden Nebenstrassen.
Mit dem allmählichen Zerfall des Rodfuhrwesens und
der immer stärker werdenden Verlagerung des Durch
gangsverkehrs auf die schweizerische Rheintalseite
verschlechterte sich im Verlauf der ersten Jahrhun-
derthälfte die Lage für das Lechtensteinische Gastge-
werbe. Als schliesslich zu Beginn der zweiten Jahr-
hunderthälfte die im Schweizer Rheintal erstellten
Schienenwege den einstmals blühenden Durchgangs-
verkehr in Liechtenstein praktisch zum Versiegen
brachten, waren die Gastbetriebe allein auf die lokale
Kundschaft angewiesen. Seit den 70-er Jahren profi-
jerte dann aber das Gastgewerbe von der allgemei-
nen wirtschaftlichen Besserstellung der Bevölkerung
ınd sah im einsetzenden Fremdenverkehr neue Mög
ıichkeiten eröffnet. Die schnelle Massenbeförderung
von Personen durch die Eisenbahn hatte den Frem-
denverkehr erst ermöglicht.
Handel, Gewerbe und Industrie
Die Eisenbahn schuf Verbindungen zu fernen, fremden
Ländern. Das früher sehr bescheidene Warenangebot
in kleinen, unscheinbaren Läden wurde erweitert mit
Produkten aus dem Balkan, Kolonialwaren, Petroleum
aus Rumänien u.a.m. Der Warenverkehr wurde all-
gemein belebt. Gewerbliche Tätigkeit in allen Berei-
2hen blühte auf.
Die Industrialisierung in Liechtenstein wurde nicht
direkt durch die Eisenbahnen ausgelöst, wohl aber
gefördert. Neben dem 1852 mit Österreich abge-
schlossenen Zollvertrag, der österreichischen Schutz
zollpolitik und der Anwendung von Dampfkraft und
Wasserturbinen war die Eisenbahn wichtig für die in
dustriele Entwicklung. Die Bahnen erleichterten der
jungen Textilindustrie den Import von Rohstoffen
Baumwolle) und beschleunigten den Absatz der Fer-
tigprodukte. Deshalb drängten die Industriellen sehr
auf den Bahntransit durch Liechtenstein, zumindest
auf eine Anbindung an die schweizerischen Bahnen
durch den Bau von Rheinbrücken. Neue Brücken,
1867/68 bei Schaan und Bendern, 1870/71 bei Vaduz
und Balzers, lösten die alten Fähren ab und verschaff
ten dem Land wieder günstigen Anschluss an das
Schweizer Verkehrsnetz. Dies war angesichts der re-
gen Wirtschaftsbeziehungen (Stickereiveredlungsver
kehr, Viehexport) von nicht zu unterschätzender Be-
deutung.
Schluss
Der Eisenbahnbau veränderte Wirtschaft und Gesell-
schaft grundlegend. Länder und Regionen, die früher
aine getrennte Entwicklung erlebten, wurden durch
die Bahnen zu wirtschaftlichen Einheiten zusammen-
geführt. Bei Ernteausfällen war nun ein Güterimport
über grosse Strecken möglich, Hungersnöte konnten
überwunden werden. Teilweise veränderte der Bau
von Eisenbahnen die Verkehrsströme. Zusätzlich zur
jahrhundertealten Nord-Süd-Verkehrsrichtung kam
die West-Ostorientierung durch die Arlbergbahn und
-strasse. Die Anbindung Liechtensteins an die inter-
nationalen Bahnlinien belebte und förderte seine
wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig. Dies wird uns
1eute nicht sofort bewusst, wenn wir die bescheide-
nen Stationsgebäude entlang der liechtensteinischen
Bahnstrecke Feldkirch — Buchs betrachten. Und den
noch sind sie bauliche Zeugen einer tiefgreifenden
Wende in der Geschichte unseres Landes.