Dr. Alois Ospelt
Wirtschaftliche Folgen des
Eisenbahnausbaus für Liechtenstein
Vor der um 1860 einsetzenden Industrialisierung war
Liechtenstein zur Beschaffung von Geldmitteln fast
ausschliesslich auf den Export landwirtschaftlicher
Produkte angewiesen. Die wichtigsten Ausfuhrartikel
waren Vieh und Wein, in guten Erntejahren auch
Überschüsse an Getreide, Mais und Kartoffeln. Dazu
kamen noch etwas Flachs und Streue, sowie Holz aus
den Alpwäldern. Aufgrund von Fortschritten in der
Milchwirtschaft und im Obstbau erschienen seit den
L870-er Jahren als neue Exportprodukte auch
Milcherzeugnisse und Obst. Der Agrarexport genügte
acht, um die dringend benötigten Einfuhren zu be-
zahlen: Brotgetreide, Saatgut, Gewerbe- und Indu-
strieprodukte. Neben dem landwirtschaftlichen Gü-
‘erexport bildete das Rodfuhrwesen, d.h. der Trans-
oort von Transitgütern innerhalb festgelegter
Streckenteile, bis um die Jahrhundertmitte eine wei
tere wichtige Einnahmequelle. Viele Hunderte dien-
ten jährlich als Saisonarbeiterinnen und Saisonarbei-
;er im näheren und entfernteren Ausland und brachten
so wertvolle Devisen ins Land. Dennoch musste ein
Teil der Bevölkerung die Heimat auf Dauer verlassen.
um in der Fremde, vor allem in den Vereinigten Staa
ten, ein neues, meist besseres Einkommen zu finden
Der Kampf um eine Eisenbahnlinie
Als die ersten Nachrichten über Bahnprojekte in den
benachbarten Regionen bekannt wurden, reagierte
die Obrigkeit in Liechtenstein sofort und unternahm
alles, um einen Anschluss des Landes an das sich ab-
zeichnende internationale Eisenbahnnetz zu erreichen.
Es begann ein jahrzehntelanger Kampf um eine Eisen-
bahnlinie durch Liechtenstein. Dies erstaunt nicht an:
gesichts der damaligen Wirtschafts- und Verkehrsver-
hältnisse.
Die Bemühungen, eine Eisenbahnlinie auf liechten
steinisches Gebiet zu ziehen, reichen in die 1850-er
Jahre zurück. Am 1. März 1857 berichtet Landesver
weser Menzinger dem Fürsten über Vorarbeiten zum
Bäuerliches Vaduz um 1897. Aquarell von Moriz Menzinger (1832 — 1914).