Il. Der Beitrag Liechtensteins an der internationalen Entwicklungshilfe —
Versuch einer Standorts-Bestimmung
Am 30. November 1963, anlässlich der ersten
Jungbürgerfeier in Vaduz, hat unser Regie-
rungschef Dr. Gerard Batliner folgenden Leitge-
danken geprägt: «Wir Liechtensteiner können
nicht tun, als ob uns die Welt nichts anginge.
Wir haften solidarisch für die Not. Das Gesetz
der Nächstenliebe gilt nicht nur unter den ein-
zelnen Menschen, es gilt ebenso für die Völ-
ker!»
Folge davon war die Konstituierung einer
Studien-Kommission zur Schaffung eines liech-
tensteinischen Entwicklungsdienstes. Am 16. 12.
1964 unterbreitete diese Kommission der Hohen
Fürstlichen Regierung ihren Tätigkeitsbericht,
iem wir unter anderem entnehmen können:
Grundsätzlich besteht heute auch in Liech-
tenstein wohl kein Zweifel mehr, dass Liechten-
stein Entwicklungshilfe leisten muss. Auch der
kleinste Staat kann heute bei diesem weltwei-
ten Werk der Zusammenarbeit mit den Ent-
wicklungsländern nicht beiseitestehen. Liech-
tenstein ist gewiss ein sehr kleines, aber wohl-
habendes, reiches und neutrales Land, das sich
der Pflicht, anderen ärmeren und unterentwik-
kelten Ländern nach Kräften zu helfen, nicht
entziehen kann. Die Kontinente sind sich heute
durch technische, strategische und wirtschaft-
liche Mittel so nahe gerückt, dass nur Partner-
schaft und Solidarität die sich stellenden Pro-
bleme des Lebens und Ueberlebens zu lösen
vermögen. Wenn ganze Nationen weiterhin
menschenunwürdig und unterentwickelt leben,
geht dies auch Liechtenstein an, und zwar nicht
nur aus ganz selbstverständlicher christlicher
Nächstenliebe und Verantwortung, sondern aus
sehr nüchternen, politischen und wirtschaft-
lichen Ueberlegungen heraus. Es geht nicht an,
dass Liechtenstein nur von der Hochkonjunk-
tur profitiert. Das Fürstentum kennt keine über-
mässigen Steuerlasten und überhaupt keine mi-
litärischen Auslagen und Belastungen für die
nationale Selbstverteidigung. Um so mehr er-
scheint es angebracht, dass auch das kleine
Liechtenstein einen Beitrag an die internatio-
nalen Probleme leistet. Jeder liechtensteinische
Beitrag an die Entwicklungshilfe dient auch der
Stärkung der liechtensteinischen Souveränität.
Mitglieder der Kommission wandten sich in
Form von Kurzreferaten an verschiedene Orga-
nisationen in Liechtenstein um die Stimmung