1939
Der Geistliche Anton Frommelt,
Abgeordneter 1928-1945 und
erbitterter Gegner des Proporzes.
Vor der Abstimmung im Landtag
über die Einführung des Verhält-
niswahlrechtes (11. Januar 1939)
verliess Frommelt (damals Land-
tagspräsident) den Saal. Wie jede
machtbewusste, starke und für
viele charismatische Politikerper-
sönlichkeit war er, etwa in seinen
Entscheidungen im Zusammen-
hang mit Arbeitsvermittlungen,
umstritten. Welches Gewicht er
innerhalb seiner Partei besass
und welche Machtfülle er im
Staat innehatte, zeigt der Um-
stand, dass er zeitweise gleich-
zeitig der Legislative als auch der
Exekutive angehörte. 1938-1945
war er gleichzeitig Landtagsprä-
sident und vollamtlicher Regie-
rungsrat. Im Kampf gegen den
Nationalsozialismus war er her-
vorragend beteiligt.
Am 9. Mai 1920 fand in der «Aubünt» in Vaduz eine Volksversammlung statt, an der
nach Angabe der Volkspartei über 1000 Mann teilnahmen. Diese Versammlung
wurde von einem Umzug, angeführt von den Musikkapellen aus Triesen und Trie-
senberg, eröffnet. Dem Umzug wurden Tafeln mit der Aufschrift «Liechtenstein den
Liechtensteinern» vorangetragen. In der Aubünt sprachen Parteiobmann Anton
Walser, Reallehrer Gustav Schädler, Landtagsabgeordneter Wilhelm Beck sowie
mehrere Vertreter des «einfachen Volkes». Gustav Schädler redete die Anwesenden
als «freie Bürger» an und verkündete, dass das Volk das wolle, was es andernorts
auch habe: «Es will sich selbst regieren». Schädler stellte in seiner Rede die glei-
chen drei berühmten Fragen, die Abb& Emanuel Siey&s in seiner Flugschrift am Be-
ginn der Französischen Revolution erhoben hatte: «Was ist das Volk eigentlich? —
Alles! Was war es bisher? — Nichts! Was will es sein? — Etwas!» In der unver-
meidlich folgenden Resolution dieser Versammlung wurde beschlossen, dass der
«grössere Teil des Liechtensteiner Volkes von der Besetzung des Landesverweser-
vostens ... durch einen Ausländer ... nichts mehr wissen» wolle.
Die «Oberrheinischen Nachrichten» hielten in ihrem Bericht über die Volksver:
sammlung vom 9. Mai 1920 mit triumphierendem Unterton fest: «Alles in allem
war der 9. Mai eine glänzende Rechtfertigung des Vorgehens der Volkspartei und
ihrer Führer, es ist das Zeugnis, dass in der Mehrheit der Bürger des Landes der
eiserne Wille steckt, diesmal sich nicht mehr überreden zu lassen...». Der Be-
richt schloss mit der selbstbewussten Feststellung: «Wir wollen keine Vögte
mehr, wir sind mündig!»
Das Erlebnis der erfolgreichen Demonstration vom Mai 1920 verstärkte bei der
Volkspartei das Gefühl von Überlegenheit und Sicherheit. Ihr Selbstbewusstsein
stieg, ihre Forderungen wurden drängender. Ihre Vertreter machten immer deut-
licher, dass sie nicht mehr bereit waren, ein Hinauszögern der ihnen gegebenen
Versprechungen zu akzeptieren. Die Volkspartei zeigte Ungeduld, was den zeit-
lichen Rahmen und Hartnäckigkeit, was den inhaltlichen Bestand ihrer Forde-
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