Der weitere Verlauf des Krieges zeigte bekanntlich, dass die optimistischen
Prognosen eines kurzen Krieges und eines grossen Sieges sich nicht bewahr-
heiteten. Bereits im September 1914 wurden Beschwerden wegen steigender
Brotpreise laut, und die Regierung sah sich schon zu diesem Zeitpunkt gezwun-
ger, Höchstpreise für Roggen- und Maisbrot festzulegen. Ende 1914 wurde vom
Landtag eine Notstandskommission eingesetzt, die entsprechende Massnahmen
einleitete.
Die Notlage wuchs mit zunehmender Kriegsdauer. Eine enorme inflationäre
Teuerung setzte ein. Der Preis für 1 Kilo Mais stieg von 22 —24 Heller auf 1 Krone
50 Heller im November 1917 und stand im August 1918 bei 6 Kronen. Dies ent-
sprach einer Preissteigerung von etwa 2500%.° Ähnliche Entwicklungen gab es
bei anderen Grundnahrungsmitteln. Bestimmte Produkte (z. B. Eier) tauchten auf
dem öffentlichen Markt ab 1917 gar nicht mehr auf. Dies führte zu akutem Man-
gel an Nahrungsmitteln für Mensch und Vieh. Andere Produkte für das tägliche
Leben, wie Leder, Petroleum, Koks, Wolle etc. waren gar nicht mehr oder nur in
sehr begrenzter Menge erhältlich.
Da keine Massnahmen für eine Rationierung getroffen worden waren, gelang
es der Regierung trotz grosser Anstrengung nicht, Auswüchse in den Griff zu
bekommen. Die Klagen über Wucherpreise und egoistische Verhaltensweisen
wurden immer häufiger und heftiger. Appelle an die Bevölkerung, christliches
Verhalten und Rücksichtnahme auf die Schwächeren zu üben, hatten wenig
Erfolg.?
Die Arbeitslosigkeit nahm zu. Saisonarbeiter konnten nicht mehr ins Ausland, die
Textilfabriken mussten ihre Produktion erst drosseln und 1917 wegen Rohstoff-
8 LVobl. 32/1918. |
9 Ein wiederholt zitierter Ausspruch lautete (LVobl. 41/1918): «Àganotz fresst der Botz», [d.h., dass
Eigennutz ein schlechter Butz (- Kobold, Schreckgespenst, Teufel) sei. Sinngemáss sollte damit
gesagt werden, dass man sein eigenes Wohlergehen über das der Allgemeinheit stellte. Siehe Leo
Jutz, Vorarlbergisches Wórterbuch mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein, 1. Band, Wien,
1965, Sp. 678: «Eigennutz ist ein boser Butz.»
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1913
ohnbe-
vólkerung
Liechten-
steins: 8022.
Arbeiter aus
Balzers, darunter federführend
der spätere Regierungsrat Alois
Frick, erhalten von Wilhelm Beck
Beistand im Kampf gegen
die neue Gewerbeordnung.
Er ermuntert die Balzner, sich zu
einer «Partei Gleichgesinnter»
zusammenzuschliessen, die
«im Rahmen der gesetzlichen
Ordnung eine Besserstellung
zunachst der eigenen Lage, dann
aber auch anderer» anstreben
müsse (31.3.).
Der Arbeiter und Bauer Alois Frick
(1879—1973, gen. Gángler) aus
Balzers, 1928 Regierungsrat, war
einer der ersten Vertrauten und
politischen Weggefáhrten von
Wilhelm Beck.