September
Die ersten Nebel kündigen den nahenden Herbst an.
Die Zugvögel versammeln sich zum Flug über die
Alpen, um den Winter in wärmeren Gebieten zu ver-
bringen. Auch im Weinberg vollzieht sich eine
Wandlung: Während der Sommermonate wurde die
meiste Kraft ins Triebwachstum gesteckt. Nun, da die-
ses abgeschlossen ist, liegt das Gewicht auf dem
Reifungsprozess der Beeren. Wieder entscheiden ein
paar Tage, ob es eine gute, befriedigende oder eine
schlechte Ernte geben wird. Denn auch jetzt sind die
chemischen Prozesse, welche die Früchte reifen las-
sen, von Wetter und Temperatur abhängig. Jeder
Sonnentag zählt doppelt, und wenn gar der Föhn
seine “Iraubenkochertätigkeit” aufnimmt, wird man
kaum einen missmutigen Winzer finden. Der Zucker-
gehalt nimmt sehr schnell zu und die Säure rapide
ab. Die Beeren werden weich und bekommen ihre
typische Farbe. Langsam bilden sich auch die sorten-
typischen Geruchs- und Geschmacksstoffe, die dann
das Bouquett ausmachen. Aber nicht nur die Beeren
verändern sich. Auch an den Trieben ist eine Ver-
änderung festzustellen: Sie werden bräunlich, das
heisst, sie verholzen.
Die Hauptarbeit des Weinbauers liegt jetzt in der
F’raubenhut. Nicht nur die Menschen lieben die
Vorzüge reifer Trauben, auch die Tiere. In kleineren
Parzellen werden Netze zum Schutz gegen Vögel ge-
spannt. Bei grösseren wird auch schon mal zur Waffe
gegriffen. Mit Schrotflinten und Schreckschuss-
pistolen versucht man, unliebsame Besucher zu ver-
treiben. Schutznetze haben aber ihre Nachteile. Vor
allem Igel verfangen sich mit ihrem Stachelkleid in
den Netzfäden.
Neben den Vögeln sind besonders die Insekten ge-
fürchtet. Sie lieben den süssen Saft der Beere und ste-
chen sie an. An der Luft wird der verbleibende Saft zu
Essig. Diese Beeren müssen aus Qualitätsgründen bei
der Lese entfernt werden. Man nennt diese Art von
Schädigung Essigstich. Die Insekten können aber
sehr leicht vom Stich abgehalten werden, indem man
in Abständen Gefässe mit Zuckerwasser aufhängt.
Dieser Lockung können sie nicht widerstehen. In
Scharen erliegen die Nascher dann dem Ertrinkungs-
:od. Doch nicht nur Tiere vergreifen sich an den
Trauben, auch Menschen.
Doch noch andere Probleme müssen bewältigt
werden. Um die Trauben noch besser zu besonnen,
werden die Blätter der Traubenzone entfernt. Die
Trauben trocknen dann besser nach Regengüssen
durch Wind und Sonne, also nochmals eine Hilfe
der Botrytis beizukommen.
Immer wieder wird der Winzer durch die Anlage
zehen und die Öchslegrade (Einheit für den
Zuckergehalt) und die Säure messen. Dies sind die
veiden wichtigsten Indikatoren, um den Reifegrad
der Trauben zu bestimmen. Gegen Ende des Monats
werden alle Weinbergbesitzer zur traditionellen Trau-
Jenschau eingeladen. An diesem Nachmittag werden
von offizieller Stelle an verschiedenen Orten Proben
entnommen. Nach der Auswertung der Proben wird
der Lesetermin vereinbart. Normalerweise wird das
Gebiet getrennt: Zuerst werden die Weinberge unter-
1alb, zu einem späteren Zeitpunkt die Lagen ober-
nalb der Schlossstrasse gelesen. Der Reifegrad der
Trauben wird mit folgender Gleichung errechnet:
R = Öchslegrade x 10
Gramm Gesamtsäure
Dieser R-Wert sollte mindestens 70 betragen.
Oktober
Normalerweise wird nun fieberhaft alles für die Wein-
iese vorbereitet. Die Geräte müssen aus dem Lager
aerausgeholt und gewaschen werden. Daneben darf
die Traubenhut nicht vernachlässigt werden.
Endlich ist der grosse Tag angebrochen: Die Helfer
zommen und fassen ihr Werkzeug. Da und dort ge-
aehmigt sich einer einen Schnaps zur Stärkung. Alle
warten auf das Zeichen. Endlich läuten die Glocken
der Pfarrkirche, die Arbeit kann beginnen. Jeder
Helfer betritt mit zwei Kübeln und einer Schere den
Weinberg. Mit der einen Hand wird jede Traube an-
yehoben, während die andere sie mit einem Schnitt
KH