Volltext: Vaduzer Wein

Das Rebjahr 
Lukas Laternser 
Pflanzen halten sich nicht an das vom Menschen ge- 
schaffene Zeitsystem. Es ist deshalb auch unmöglich, 
die Rebe in das übliche Zeitkorsett zu zwingen. Stellt 
sich also die Frage, welche Zeiteinheit soll man ver- 
wenden und wann soll man damit beginnen. Ganz 
einfach, wir beginnen das Rebjahr im November und 
arbeiten uns Monat für Monat seinem Höhepunkt zu, 
der Weinlese. Aber bitte, man nehme die Monatsein- 
teilung nicht zu streng. Es kann auch so noch, je nach 
Jahr, recht unterschiedlich sein. 
November 
An sich ist der Blick, den man um diese Zeit in einen 
Weinberg wirft, zum Weinen. Zerzaust stehen die 
Reben im fahlen Sonnenlicht des in den letzten 
Zügen stehenden Altweibersommers. Hie und da 
hängt noch ein rotes oder braunes Blatt an einer 
Rute. Der erste Frost ist schon über das Land gezo- 
gen. Die Holzreife sollte spätestens jetzt abgeschlos- 
sen sein. Die Pflanze stellt auf Winterbetrieb um. Das 
bedeutet, dass die Rebe in der kalten Jahreszeit ihre 
Tätigkeit auf ein Minimum reduziert, um nicht zu er- 
frieren oder zu verdursten. Würde die Pflanze ihre 
Blätter behalten, bräuchte sie zuviel Wasser. Dieses 
kann sie aber nicht aufnehmen, da es in Form von 
Schnee auf dem Boden liegt. Nun gehen Pflanzen 
aber sehr viel haushälterischer mit ihren Stoffen um 
als wir Menschen. Alle wertvollen Substanzen werden 
in den Stock zurückgezogen. So werden Chlorophylle 
und Xanthophylle, grüne und gelbe Pigmentmole- 
küle, zur Wiederverwendung eingelagert. Dadurch 
kommen die jetzt nicht mehr überlagerten Farbstoffe 
zum Vorschein und verfärben die Blätter. Die Braun- 
verfärbung beruht dann auf der Oxydation von 
Gerbstoffen, die am Schluss der Stoffwechselreihe ste- 
hen. Gegen Erfrierungen schützt sich die Rebe mit 
einer Korkschicht. Das Überwachsen der Blattstiel- 
basis durch diese Isolationsschicht führt zum Abfallen 
der Blätter. Der Gefrierpunkt der Pflanze wird durch 
die Verminderung des Wasserhaushalts und dem da- 
mit verbundenen Anstieg der Konzentration gelöster 
Substanzen hinuntergesetzt. Die neuen Knospen sind 
durch zwei Deckschuppen und Wollhaare geschützt. 
Der Winter kann kommen. 
Der Winzer kann sich jedoch noch keinen 
Winterschlaf leisten. Es gilt, den Weinberg für das 
nächste Jahr vorzubereiten. Hat es im Sommer 
Schwemmschäden gegeben, so muss Erde herbeige- 
schafft werden. Schäden an Weinbergmauern, Draht- 
anlagen und am Lesegeschirr werden behoben. Viel- 
‚eicht ist eine Neuanpflanzung geplant. Dann muss 
die entsprechende Parzelle gerodet, die Vorrats 
düngung ausgebracht und tiefgepflügt werden. 
Dezember 
Wie für alle Pflanzen ist es auch für die Rebe besser, 
wenn eine dicke isolierende Schneeschicht auf dem 
3oden liegt. Eine gesunde Rebe, welche genügend 
Reservestärke eingelagert hat, kann Temperaturen 
is -18 Grad Celsius ertragen. Wird es zu kalt, wird 
diese Reserve verzuckert. Je älter eine Rebe ist, umso 
schwieriger wird dies jedoch für sie. Dasselbe gilt für 
geschwächte Reben. 
Gefürchtet sind die langanhaltenden arktischen 
Schönwetterlagen (lange, dauernd sehr kalte Wetter- 
lagen). Glücklicherweise kommen diese nur alle 25 
5is 30 Jahre vor. Das letzte Mal war dies im Winter 
1984/85 der Fall. Zuerst werden die Knospen in Mit- 
‚eidenschaft gezogen, dann das Holz. Deshalb sollte 
schon bei der Planung des Rebbergs darauf geachtet 
werden, dass keine Mulden und Senkungen vorkom- 
men, damit keine Kälteseen entstehen können. 
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