“Torkelgeist”.
Tonfigur im Tor-
kel des Roten
Hauses. Von Urs
Rheinberger
(1946-1990) ge-
staltet, der sich
von einem knor-
rigen Rebstock
im Torkel des
Roten Hauses in-
spirieren liess
1875 und 1883 die Torkel im Bockwingert (heute
Restaurant Torkel; erhalten), im St. Johanner (Rotes
Haus; erhalten), im “Lowen” (Hotel Lowen; erhal-
ten), im “Engel” (Hotel Engel; nicht mehr erhalten)
sowie jene von Johann Verling (Metteldorf Nr. 3; nicht
mehr erhalten), Andreas Wachter (Metteldorf Nr. 16;
erhalten), Baptist Seger (Hindergass Nr. 18; erhalten)
und Franz Josef Seger (Hindergass Nr. 11/17; nicht
mehr erhalten).!! Kleinere Anlagen — wahrscheinlich
für den Eigengebrauch der Weinbauern — wurden
Anfang des 19. Jahrhunderts zum Beispiel beim Haus
Nr. 35/37 an der Hindergass'?, beim Haus Nr. 2 bis 4
an der Wingertgass? und beim schon lange abgebro-
chenen Haus Nr. 106 an der ehemaligen Schloss-
Strasse!4 betrieben. Obwohl im Grundbuch vermerkt,
werden diese Torkel nach derzeitigem Kenntnisstand
in keinen anderen Quellen erwähnt. Dagegen lassen
sich in mehreren Schriftstücken die Namen und Un-
terschriften von den Torkelmeistern der acht oben
genannten Torkel nachweisen.!5 Sechs der grossen,
von Hauptmann Rheinberger erwáhnten Pressen wa-
ren noch bis Anfang der fünfziger Jahre in Betrieb.
Schon diese beachtliche Zahl von Torkelanlagen lásst
auf die wirtschaftliche Bedeutung des Weinbaus für
Vaduz seit dem ausgehenden Mittelalter schliessen.!6
Erst die Inbetriebnahme des neuen Torkels in der
fürstlichen Domäne führte im Jahr 1954 zur Schlies-
sung der den wirtschaftlichen Anforderungen inzwi-
schen nicht mehr gewachsenen spätmittelalterlichen
Pressen. Einzig im Torkel des Roten Hauses wurde in
alter Tradition bis vor wenigen Jahren weitergekel-
tert. Fünf Pressen stehen heute noch. Jene des Roten
Hauses wäre wahrscheinlich noch funktionstüchtig.
In spätmittelalterlicher Zeit war die Errichtung
eines Torkels ein aufwendiges und mit Sicherheit
nicht alltägliches Unterfangen. Zum Transport der
grossen Torkelbiume mussten mehrere Dutzend
Pferde eingesetzt werden. An der Fuhre waren oft-
mals bis zu 90 Mann beteiligt. Nach kráfterauben-
dem Transport sind die grossen Baumpressen bei den
unterkellerten Winzerhàusern auf freiem Gelánde zu-
Notgrabung auf dem “Areal Amtshaus" in Balzers. Archäologie
Code Nr. 0134.
Vgl. Mayr (1995) und Waid (1991/1), S. 182.
Zum churrätischen Reichsgutsurbar und dessen Datierung:
Clavadetscher (1994).
*De Vineis Carrats .X." Vgl. LUB I/1, S. 41.
Eine ausführliche Darstellung der Geschichte des Vaduzer
Weinbaus finden Sie im Beitrag von Alois Ospelt in diesem Buch.
5 Vogt (1983), S. 90.
Beschreibung von Landvogt Schuppler im Jahr 1815. Vgl. Ospelt
(1975), S. 951.
Der Name Torkel leitet sich vom lateinischen Wort torquere ab,
was soviel wie pressen, drehen bedeutet.
Die Holzpressen werden auch Baumpressen oder Torkelbäume
genannt. Unter Torkel wird in unserem Sprachgebrauch sowohl
die Presse wie auch das Gebäude, in dem die Presse steht, ver-
standen.
Peter Rheinberger (1831-1893). Hauptmann, Landestechniker.
! FamARh H 31 und H 32. Die Torkel sind auch genannt bei Seger
(1956), S. 57.
1? “Ein Haus samt Stall und Torkel” = Vaduzer Hausbuch, Grund-
bucheintrag fir Haus Nr. 35 an der Hindergass. Vgl. Albertin
(1992/1), S. 42.
“Ein halbes Haus samt Stall und Torkel” = Vaduzer Hausbuch,
Grundbucheintrag für Haus Nr. 4 an der Wingertgass. Vgl.
Rheinberger (1982), S. 1.
“Haus und Stall samt Torkel” = Vaduzer Hausbuch, Grundbuch-
eintrag für Haus Nr. 106 beim Roten Haus (alte Nummer). Urs
Rheinberger nennt diese Presse in seiner Arbeit nach den Besit-
zern den “Thöni-Torkel”. Vgl. Rheinberger (1982), S. 41.
? Freundlicher Hinweis von Alois Ospelt, Landesarchivar in
Vaduz.
Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Weinbaus: Ospelt (1972),
S. 170-176.
17 Vgl. Spahr (1981/82), S. 208.
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