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Liechtenstein — Ein Kleinstaat im Herzen Europas
eigenen "Integrations-Status” in Europa geschaffen hat, dann ist wohl damit zu rech-
nen, dass Liechtenstein entweder endgültig aus dem "Rucksack” ausziehen oder aber
sich unter ”härteren” Bedingungen einen neuen Platz schaffen muss. Wie lange wird es
wohl dauern, bis man bemerkt, dass zwei völlig verschiedene Kräfte das gegensätzliche
Abstimmungsresultat verursacht haben, nämlich die Forderung nach mehr Souveränität
auf der einen Seite und der Wunsch nach “noch besserem” Marktzugang auf der ande-
ren Seite. Bei dieser Konstelation wird es einmal soweit kommen, das sich die wirt-
schaftlichen Zielsetzungen nicht mehr mit den staatlichen Zielsetzungen decken. Dies
wird einen erneuten, meines Erachtens absolut unnötigen Kräfteverschleiss zur Folge
haben. Wäre es für die Erhaltung der letzten deutsch-sprachigen Monarchie in Europa
nicht ratsamer, die Kräfe besser zusammen zu halten ? Die Schweiz, aber auch andere
Staaten auf der Welt haben es schon mehrfach bewiesen: Nur "Einigkeit macht stark”.
Die unbelehrbare Verfolgung von Einzelinteressen dagegen birgt die grosse Gefahr in
sich, vermehrt Rückschläge erdulden zu müssen, weiche letztendlich zu einer langsam
fortschreitenden Schwächung der wirtschaftlichen wie auch staatspolitischen Stabilität
führen. Man bedenke: Ein Eisen kann nur solange geschmiedet werden, wie das Feuer
ıaoch brennt !
34. Gerät der Zentralismus in Brüssel doch noch in’s Wanken ?
Vor einigen Wochen musste die EG den Dänen aufgrund ihrer ”Hartnäckigkeit” bezüg-
lich "Maastricht" eine ”Sonderlösung” zubilligen. In den letzten Tagen hat man nun den
den EG-Beitrittskandidaten Österreich, Schweden, Finnland sowie Norwegen vorsorgli-
cherweise zu verstehen gegeben, dass ein derartiges Entgegenkommen für die ”Neulin-
ge” niemals zur Diskussion stehen wird. Jacques Delors erklärt kürzlich vor dem Eu-
ropäischen Parlament, dass alle künftigen EG-Kanditaten die Verträge von Maastricht
(=Unionsvertrag, Währungsvertrag, Verteidigungsvertrag usw.) vollumfänglich zu über-
nehmen hätten. Die Grossbritannien und Dänemark zugestandenen Ausnahmen seien
"gewissermassen” als Treueprämien zu betrachten. Gleichzeitig erklärte Delors jedoch
in Bezug auf die Schweiz, dass man den "Schweizer Freunden” noch etwas Zeit zum
Nachdenken gewähren werde, Damit scheint es, dass in Brüssel langsam aber sicher
doch noch realisiert wird, dass eine Entscheidung der über 700-jährigen Schweizeri-
schen Eidgenossenschaft nicht einfach so übergangen werden kann, zumal sie, auch
wenn dies von verschiedener Seite bestritten wird, dem breit abgestützten Volkswillen
entspricht.
Mitte Januar 1993 tönte die EG_gegenüber der Schweiz an, dass drei bis vier Verhand-
lungsrunden wohl ausreichen dürften, um bis .im Herbst 1993 ein für beide Seiten geeig-
netes Luftverkehrsabkommen abzuschliessen. Der Anspruch der Schweiz auf ein derar-
tiges Abkommen wird aus einem Anhang zum Transitvertrag mit der EG, welcher be-
reits seit dem 22.1.1993 in Kraft ist, abgeleitet. Einmal mehr zeigt es sich, dass die an-
fänglich von der EG angedeutete Gefahr einer Diskriminierung der Schweiz wohl doch
nicht so_gross ist, wie dies anfänglich angenommen wurde. Auch als das dänische
Stimmvolk 1992 die Verträge von Maastricht abgelehnt hat, wurden die übelsten Prophe-
zeihungen für die dänische Wirtschaft ausgesprochen. Man ging soweit, dass man sogar
einen ”Rauswurf” Dänemarks aus der EG in Betracht zog. Heute weiss man jedoch,
dass Dänemark die geforderten Zugeständnisse bekommen hat.