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Liechtenstein — Ein Kleinstaat im Herzen Europas Seite 25
steinischen Produkte in der Schweiz als nicht EWR-Mitglied ist nicht mehr móglich.
Diese und viele weitere administrative Aufgaben muss Liechtenstein nunmehr selbst in
die Hand nehmen, sofern das EWRA auch tatsächlich ratifiziert wird. Nach Meinung
von Fachleuten wird es jedoch auch für Liechtenstein nicht móglich sein, alle Vorteile
der EWR-Ursprungsregelung zu übernehmen und gleichzeitig den Zollvertrag mit der
Schweiz aufrecht zu erhalten. Persónlich hege ich immer mehr die Befürchtung, dass
man eines Tages im Rahmen dieser Zollvertragsverhandlungen zum Schluss kommt,
dass eine allseits akzeptable Anpassung des Zollvertrages nicht móglich ist. In einem
solchen Fall geht man davon aus, dass S.D. Fürst Hans Adam II. von dem ihm unwider-
ruflich zugestandenen Recht zur Ratifizierung des EWR-Vertrages keinen Gebrauch
macht und damit alles so bleibt wie es ist. Nachdem sich jedoch sowohl auf schweizeri-
scher als auch auf liechtensteinischer Seite etliche Personen wahrend einiger Monate mit
diesen schlussendlich fruchtlosen Verhandlungen bescháftigen mussten, wáre es
durchaus denkbar, dass man in der Schweiz die Gelegenheit dennoch benutzt,
überjáhrige "Ungereimtheiten" zu beseitigen. Ungereimtheiten, welche in der Vergan-
genheit sowohl auf schweizerischer als auch auf liechtensteinischer Seite registriert wur-
den, deren Beseitigung jedoch aus welchen Gründen auch immer bis heute aufgeschoben
wurden. Der Wunsch Liechtensteins, den Zollvertrag behalten und den EWR erhalten zu
kónnen sowie der Wunsch der Schweiz, über Liechtenstein die integrationspolitische
Türe zur EG offenhalten zu kónnen, hátte bei einem Scheitern der Zollvertragsverhand-
lungen somit lediglich zur Folge, dass die alt bewáhrte Partnerschaft mit der Schweiz
auf eine neues, vielleicht für Liechtenstein etwas schwer verdauliches Niveau angeho-
ben würde. Sicherlich, auch dieser "neue" Zollvertrag würde dem Staatsvertrags-Refe-
rendum unterstehen, so dass dem liechtensteinischen Stimmvolk die Móglichkeit gege-
ben wáre, entweder den modifizierten Zollvertrag zu akzeptieren oder in Zukunft ohne
Zoll- und damit vielleicht auch ohne Wáhrungsvertrag einen "eigenstándigen" Weg zu
suchen. Verschiedene Personen haben sich in der Vergangenheit wehement für eine
möglichst vollständige Loslósung von der Schweiz eingesetzt. Wer weiss, vielleicht wird
dies alles schon bald Wirklichkeit sein. Aber bis dahin wird man auf beiden Seiten wei-
ter verhandeln. Anlässlich eines Interviews erklärte Regierungschef Hans Brunhart im
Januar 1993, dass die Anpassung des Zollvertrages im Zentrum der derzeitigen Uberle-
gungen stehe. Es gebe ein eminentes liechtensteinisches Interesse, die Problematik und
damit auch entsprechende Lósungsmodelle lediglich auf die wesentlichsten Aspekte zu
beschränken. Im weiteren erklärte er, dass es grundfalsch und auch ausserordentlich ge-
fährlich sei, den Verhandlungspartnern in Bern sowie Brüssel über die Medien darzule-
gen, wie entsprechende Lösungen aus liechtensteinischer Sicht auszusehen hätten. Der
Zollvertrag mit der Schweiz habe natürlich nach wie vor noch Priorität. Der abgeänder-
te Zollvertrag soll sowohl in der Schweiz als auch in Liechtenstein zur Abstimmung vor-
gelegt werden. Was den EWR anbetrifft, so werde dieser wohl amı 1.7.1993 auch ohne
Liechtenstein in Kraft treten, da der Zollvertrag bis dahin sicherlich noch nicht ab-
schliessend angepasst werden könne.
Liechtensteins EWR-Beitritt erscheint immer unwahrscheinlicher
S.D. Prinz Nikolaus, Botschafter Liechtensteins in Bern, hielt am 20.1.1993 vor der
"Berner Wirtschaftskammer der Jungen" zum Thema "Das Fürstentum Liechtenstein —
seine Rolle in Europa" einen Vortrag. Im Rahmen seiner Ausführungen erklärte Er, dass”
sich Liechtenstein immer schon als Teil Europas verstand und gleichzeitig auch die Part-
nerschaft mit dem "grossen Bruder Schweiz" zu schützen wusste. Nach dem EWR-Nein
der Schweiz sei nun Liechtenstein bemüht, die offenen Grenzen zu der Schweiz wie
auch die guten Beziehungen aufrecht erhalten zu kónnen. Liechtenstein sei bereit, we-