Liechtenstein — Ein Kleinstaat im Herzen Europas
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auf ein gewisses Verständnis stossen werden. Anpassungen werde es jedoch in jedem
Falle geben müssen, da einige EWR-Regelungen davon ausgehen, dass sowohl die
Schweiz als auch Liechtenstein in den EWR eingebunden sind. Es könne durchaus sein,
dass mit gewissen Anpassungen auch entsprechende Verbesserungen für Liechtenstein
herausgeschlagen werden können. Oberste Priorität bei allen Verhandlungen habe je-
doch der Volkswille, welcher von offizieller Seite so interpretiert werde, dass man dem
EWR beitreten solle, jedoch nur bei gleichzeitigem Erhalt der offenen Grenzen zu der
Schweiz. Man werde mit allen Mitteln versuchen, in den entsprechenden Verhandlungen
so nahe als möglich an dieses Ziel heranzukommen. Ignoriert werden dürfe dabei jedoch
keinesfalls, dass auch die Interessen der anderen 16 EWR-Partner berücksichtigt werden
müssten.
17. Zusammenfassung Dezember 1992
Ausgehend von der EWR-Empfehlung des Landtags, wonach ein Beitritt Liechtensteins
nur zusammen mit der Schweiz realisiert werden sollte, war nach dem negativen Aus-
gang der Abstimmung in der Schweiz vom 6.12.1992 für die Mehrheit der liechtensteini-
schen Stimmbürger klar, dass am 11./13.12.1992 nur ein NEIN zum EWR die richtige Lö-
sung bringen kann. Verunsichert durch die unsachlichen Reaktionen aus Brüssel sowie
beeinflusst von den Aussagen des Landesfürsten anlässlich des TV Live-Auftritts vom
8.12.1992 hat das liechtensteinische Stimmvolk jedoch am 11./13.12.1992 dem EWR-Ver-
trag überraschend deutlich zugestimmt. Doch schon einige Tage nach dieser Abstim-
mung hielt eine gewisse Ernüchterung Einzug, denn die EG gab am 16.12.1992 bekannt,
dass das EWR-Abkommen nicht mehr neu verhandelt, sondern aufgrund des Ausschei-
dens der Schweiz lediglich durch ein Zusatzprotokoll entsprechend ergänzt wird. Die
insbesondere am 8.12.1992 dem Volke gemachte Hoffnung, dass der Bereich des freien
Personenverkehrs für Liechtenstein neu ausgehandelt werden kann, war damit bereits 3
Tage nach der Abstimmung zunichte gemacht. Mit dem Ziel, die Erhaltung der offenen
Grenzen zu der Schweiz durchzusetzen, machte sich dann die liechtensteinische Ver-
handlungsdelegation auf nach Bern, um zuammen mit der Schweiz auf Expertenebene
über die nun notwendig gewordenen Anpassungen des Zollvertrages zu diskutieren. Be-
reits diese ersten Gespräche zeigten jedoch klar auf, dass die Zollvertragsanpassung bei
weitem unterschätzt wurde, denn die am 8.12.1992 propagierte ”2 Punkte-Lösung” mus-
ste als unrealistisch zu den Akten gelegt werden.
18. Das isländische Parlament (nicht das Volk) stimmt dem EWRA knapp zu
Am 12. Januar 1993, also ca. einen Monat nach dem JA Liechtensteins zum EWRA
stimmte nun auch das isländische Parlament mit 33:27 Stimmen diesem im Volke sehr
amstrittenen Vertragswerk zu. Begründet wurde diese Entscheidung damit, man habe so
die besseren Marktchancen. Der relativ knappe Entscheid lässt jedoch mit einiger Wahr-
scheinlichkeit den Schluss zu, dass das isländische Parlament bei einem Nein Liechten-
steins und der Schweiz dem Vertrag dann wohl auch nicht zugestimmt hätte. Damit hät-
ten vier EFTA-Staaten ihre Zustimmung erteilt und deren drei wären dagegen. Grund
genug, den ganzen Vertrag neu auszuhandeln und dort anzupassen, wo "der Schuh noch
drückt” ! Es fällt einem auf, dass es sowohl innnerhalb der EG als auch innerhalb der
EFTA keinen einzigen Staat gibt, welcher beim Abschluss von Staatsverträgen das Volk