14. Jahrhundert. Dass es sich hierbei nicht um das Produkt einer übermässigen
Phantasie sondern um den ernsthaften Versuch handelt, anhand einer fiktiven
Liebesbeziehung einen Einblick in die mittelalterliche Welt unserer Region zu
geben, davon zeugt schon der für heutige Leserinnen und Leser ungewohnte
Anmerkungsapparat.
Das bis heute fehlende Interesse an Werk und Autorin scheint mir erklärungs-
bedürftig. Eine Untersuchung über die Behandlung der Frauen in der
historiographischen Tradition Frankreichs kommt zum überraschenden Schluss,
dass die Frauen erst mit dem Aufkommen der «wissenschaftlichen» Ge-
schichtsschreibung Ende des 19. Jahrhunderts aus den Geschichtsbüchern ver-
schwinden. Die bereits zitierte Gianna Pomata kommentiert dieses Ergebnis
folgendermassen: «Die neue — akademische und professionelle — Geschichts-
schreibung muss sich von der ihr vorausgegangenen literarischen Historiographie
abheben, und die Nichterwähnung der Frauen ist eines der Mittel, mit denen
sich die Positivisten von den romantischen Historikern unterscheiden können.
Frauen sind ein Teil jenes <Lokalkolorits>», das für den historischen Roman
geeignet sein mag, jedoch für eine seriöse Geschichtsschreibung höchst un-
schicklich ist und daher aus dem historiographischen Text eliminiert wird.»
Des weiteren weist sie darauf hin, dass dieselbe Entwicklung, die zur Ausgrenzung
der Frauen aus der Geschichte führte, mit einer Abwertung der biographi-
schen und belletristischen Tradition der Geschichtsschreibung einherging.''
Diese Thesen werfen ein neues Licht auf die fehlende Rezeption des Werkes
von Hermine Rheinberger wie auch ihrer Person. Ihr Werk, ein historischer
Roman, gehört einer Gattung an, die von der sich etablierenden «wissen-
schaftlichen» Geschichtsschreibung an den Rand gedrängt und abgewertet
wurde. Der unbestrittene Vorrang der politischen Geschichte zeigt sich in
Liechtenstein bis in die späten 70er Jahre. Aufgrund dieses eingeschränkten
Blickwinkels konnte nicht nur die erstaunliche Leistung Hermine Rheinbergers
nicht wahrgenommen werden. Es geriet auch ihre Person in Vergessenheit.
Die fehlende Beachtung des ersten liechtensteinischen Schriftstellers liegt
also letztlich in der kulturell vielschichtig vermittelten Tatsache begründet.
dass er weiblichen Geschlechts war.
Ich komme zum Schluss. Drei Schritte scheinen mir unerlässlich, um die
historische Forschung in Liechtenstein dem internationalen Niveau anzuglei-
hen:
|. Eine unabdingbare Voraussetzung ist die Rezeption von theoretischen Kon-
AC