handelt es sich auch hier um eine Träumerei eines Malers aus dem Norden von der römischen und
afrikanischen Welt.
Walter Liedtke
LITERATUR: Kat. 1873, Nr. 874; Frimmel 1886, S. 145; Kat. 1885, Nr. 625; Feldkirch 1971, Nr. 29; Baumstark
1979, S. 52-53, Nr. 16; Baumstark 1980, Nr. 135.
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Salomon van Ruysdael
Niederlande, 1600/1603-1670
LANDSTRASSE NAHE EINEM SCHLOSS
Öl auf Leinwand; 114 x 155 cm
Signiert und datiert (unten rechts): S. Rvysd... 1652
Liechtenstein Inv. Nr. 914
Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert stand Salomon van Ruysdael völlig im Schatien seines
Neffen Jacob van Ruysdael und hat sich erst in den vergangenen hundert Jahren seinen Platz unter
den bedeutendsten niederländischen Landschaftsmalern des siebzehnten Jahrhunderts wieder
zurückerobern können. Dieser Wandel spiegelt sich in der Geschichte der europäischen Sammlungen
wider: das Rijksmuseum in Amsterdam beispielsweise bekam die ersten beiden Werke van Ruysdaels
in den Jahren 1870 und 1880 (1871 kaufte das Metropolitan Museum in New York drei Bilder), das
Mauritshuis in Den Haag gelangte 1905 in den Besitz seines ersten authentischen Gemäldes van
Ruysdaels, und Fürst Johannes II. von Liechtenstein erwarb das vorliegende Bild im Jahre 1912, um
nur drei Beispiele zu nennen.
Zusammen mit Jan van Goyen und Pieter de Molijn gehörte von Ruysdael zu den Begründern der
realistischen Landschaftsmalerei Ende der zwanziger und während der dreißiger Jahre des
siebzehnten Jahrhunderts. Die Haarlemer Künstler stützten sich auf die fortschrittlichsten Ideen von
Esaias van de Velde, der in den Jahren 1610-1618 in Haarlem wirkte und als erster seine eigenen
Neuerungen und die anderer Künstler in den Landschaftszeichnungen und -drucken auf das
vergleichsweise konservative Medium der Malerei ausdehnte. Van Ruysdael, der sich in den
dreißiger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts wie van Goyen einer fast monochromatischen Palette
bediente und seine Kompositionen diagonal arrangierte, war offener als seine Zeitgenossen für die
satteren Farben, die festere Formgebung und den mutigeren, vielleicht "kiassischeren" Stil der
jüngeren Generation, die um 1650 auftrat und deren bekannteste Vertreter Jacob van Ruysdael,
Meindert Hobbema und Aelbert Cuyp waren.
Ein wunderbares Zeugnis dieser neuen Orientierung in van Ruysdaels späteren Werken ist das
Gemälde Landstraße nahe einem Schloß. Es stammt aus einem Abschnitt seiner Schaffenszeit, in der
seine großartigsten Bilder entstanden. Die Hauptteile der Komposition - die Bäume links, die
vorüberziehenden Wolken, der strahlend blaue Himmel sowie der Fluß und die Straße, die sich im
Hintergrund verliert - sind alle im Schloß verankert, dessen hoher Turm als Grundpfeiler dieser
dynamischen Konzeption dient.