SG
Pierre Courteys
Frankreich, tätig 1544-1581, gest. vor 1591
DAS URTEIL DES PARIS
Frankreich (Limoges), Mitte des 16. Jahrhunderts
Email, teilweise vergoldet, auf Kupfer; 43 x 54 cm
Signiert (in Gold, unter den Füßen von Paris): CORTEYS
Liechtenstein Inv. Nr. 220
Das Urteil des Paris gehört zu einer Gruppe von sieben emaillierten Platten ungewöhnlicher Größe,
die die Legende von Troja schildern. Auf der vorliegenden Platte ist Paris, der Sohn des troischen
Königs Priamos zu sehen, der Aphrodite zur schönsten der drei Göttinnen wählt und ihr den
goldenen Apfel überreicht. Aphrodite hatte ihm dafür die schöne Helena, die Frau Menelaos’, des
griechischen Königs von Sparta, versprochen. Die Göttin, umgeben von Eros und Athene, die sich
gerade entkleidet, sowie Hera, die von Hermes begleitet wird, steht vor Paris, der inmitten einer
pastoralen Landschaft, die von Nymphen und einem Flußgott bevölkert ist, unter einem Baum sitzt.
Die emaillierte Plakette ist fast eine exakte Kopie einer Radierung, die Bartsch einer anonymen
Schule von Fontainebleau Druckherstellern zuschrieb (Bartsch, Bd. 16, Pkt. 2 [1876], S. 404, Nr.
72, oder The Illustrated Bartsch, Bd. 33 [1979], S. 347), aber Herbert erkannte sie als Teil eines
Zyklus des Trojanischen Krieges von Jean Mignon nach Entwürfen von Luca Penni (Herbet 1900,
Pkt. 4, S. 336, Nr. 21). Penni (1500-1556) wurde in Florenz geboren. Um das Jahr 1530 emigrierte
er nach Frankreich, wo er als Maler für die Dekoration des Chäteau de Fontainebleau engagiert
wurde. Von Mignon weiß man recht wenig. Aus Unterlagen der Comptes des Bätiments geht
lediglich hervor, daß er zwischen 1537 und 1540 Zahlungen für seine Arbeiten als Maler in
Fontainebleau erhielt. Von seinen Arbeiten als Radierer sind zwei signierte Drucke bekannt, und die
sechs Radierungen der Legende von Troja schrieb man ihm aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten mit
den signierten Werken zu (Zerner 1969, S. 26-30).
Mignons Druck kopiert eine signierte Zeichnung von Penni, die sich im Cabinet des Dessins im
Louvre (Inv. Nr. 1396) befindet. Die Radierung ist lediglich spiegelverkehrt, läßt einen geflügelten
Genius, der einen Kranz über Aphrodites Kopf hält,-weg und ersetzt die pastorale Landschaft mit
den Himmelsgöttern der Zeichnung. Das Entstehungsdatum der Zeichnung ist nicht bekannt,
möglicherweise gehörte sie zu einer Reihen von Arbeiten, die der junge Künstler um 1530 aus Italien
mit nach Paris brachte (Golson 1957, S. 26). Ein berühmter Kupferstich Marcantonio Raimondis
diente zweifellos als Vorlage für Pennis Zeichnung (Bartsch, Bd. 14, Pkt. 1 [1867], S. 197, Nr. 245),
der selber wiederum auf einer verschollenen Zeichnung von Raffael basierte. (Für eine detaillierte
Zusammenfassung der Beziehung zwischen Marcantonios Stich und erhaltenen Entwürfen Raffaels,
siehe Shoemaker 1981, S. 146-147, Nr. 43.) Daß die Radierung von Mignon und nicht der Stich
Marcantonios die Quelle für Courteys Email war, geht daraus hervor, daß auf der Emailarbeit
Einzelheiten zu erkennen sind, die bei Mignon, jedoch weder in Pennis Zeichnung noch in
Marcantonios Stich gefunden wurden.
Marcantonios Kupferstich diente auch als Quelle für mehrere erhaltene Emailarbeiten aus Limoges,
hauptsächlich von Leonard Limosin und Jean II. Penicaud. Es war jedoch Mignons Version, deren
sich ein anderer großer Emailmaler aus Limoges, nämlich Pierre Reymond (1513-gest. nach 1584)
bediente. Reymond benutze Mignons Entwurf auf der Rückseite einer Schatulle - seinerzeit in der
Charles-Mannheim-Sammlung in Paris (Molinier 1898, S. 49, Nr. 179, Abb. 179) - und, in