muß. Obwohl also die Komposition des Gemäldes original ist, so folgt es doch dem Standardformat
von vielen Porträts des Malers Rigaud, und obwohl es viel kleiner ist, ähnelt es dem Porträt, das
Rigaud 1730 von Ludwig XV. in seinem Krönungsgewand gemalt hatte (Musee National de
Versailles). In der Hoffnung auf einen zweiten Auftrag könnte Rigaud dem Fürsten dieses Porträt als
Modell vorgeschlagen haben. Die Posen sind sich nicht unähnlich - besonders, was die Stellung der
Füße betrifft, die in beiden Porträts in identischen Hofschuhen aus weißem Glaceleder mit roten
Absätzen stecken -, und auch die räumliche Anordnung weist in beiden Gemälden beträchtliche
Ähnlichkeiten auf. Außer seinem königlichen Umhang trägt Ludwig XV. die aus dem sechzehnten
Jahrhundert stammende Kleidung des Ordens des Heiligen Geistes, einschließlich der Ordenskette
und der unverkennbaren culofte bouffante. Der Orden des Saint Esprit war 1578 von Heinrich II.
als höchster Orden in Frankreich eingeführt worden. Er sollte den Orden des Heiligen Michael, den
Ludwig XI. im Jahre 1469 gegründet hatte, ersetzen, dessen Wertschätzung zu der Zeit so tief
gesunken war, daß man ihn als den collier ä toutes betes bezeichnete. Im achtzehnten Jahrhundert
jedoch hatte der Orden des Heiligen Michael wieder einen Teil seines ehemaligen Ruhms
zurückerlangt. Von besonderem Interesse, wenn es auch kaum ein Einzelfall sein dürfte, ist die Form
der Inschrift auf der Rückseite beider Porträts des Fürsten von Liechtenstein: "Peint ä Paris par
Hyacinthe Rigaud, Chevalier de l'lordre de S. Michel en 1740."
Georg C. Bauman
LITERATUR: Kat. 1780, Nr. 294; Kat. 1873, Nr. 962; Kat. 1885, Nr. 670; Bode 1895c, S. 113; Höss 1908, S. 19 und
137; Frimmel 1908a, S. 112; Frimmel 1913, S. 7-8; Roman 1919, S. 218; Kat. 1931, Nr. 670; H. V[ollmer] in
Thieme-Becker. Bd. 28 (1934). S. 350: Strohmer 1943a,. Nr. 27: Baumstark 1980. Nr. 156: Wien 1980, Nr. 20.01
55
Norditalien
Ca. 1515-1530
APOLLO UND DIE MUSEN
Öl auf Holz (Tanne); insgesamt: 17,5 x 119,2 cm; gemalte Fläche (außer Rand): 14,2 x 117,5 cm
Eingraviert (Mitte, auf Anhöhe): POLYDOR CARVI / 1520
Liechtenstein Inv. Nr. 207
Im Mittelpunkt des Gemäldes, auf einer Anhöhe vor einem Hain, sitzt Apollo neben einer Quelle und
spielt auf einer Bratsche. Zu seiner Rechten liegen eine Lyra und zwei Kornette. Die Quelle ist die
Kastalische Quelle, Apollo, umgeben von den Musen, Pegasus (dem Pferd der Musen) und dem
flötespielenden Pan, befindet sich demnach auf dem Parnaß. Vergleicht man dieses Bild mit
Ferrareses berühmter tarocchi-Folge aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts (siehe hierzu
Levinson 1973, S. 100ff.), so können die Musen anhand der Instrumente, die sie spielen, identifiziert
werden. Einzige Ausnahme ist Urania, die kein Instrument spielt, sondern eine Himmelskugel in der
einen und einen Zirkel in der anderen Hand hält. Erato schlägt das Tamburin und tanzt dazu, Calliope
bläst in eine Posaune (in der farocchi-Serie ist es eine Trompete) und Melpomene in ein Kornett.
Polymnia sitzt an einer Orgel, an die eine Harfe gelehnt ist und deren Blasebalg von einem Putto
bedient wird. Clio sitzt auf einem Schwan und singt, während Thalia auf der Geige, Terpsichore auf
der Laute und Euterpe auf dem Aulos spielt.