DIE GEMÄLDESAMMLUNGEN
Die Kunstschätze der Regierenden Fürsten von Liechtenstein gipfeln in einer umfassenden
Gemäldesammlung, die es erlaubt, die Entwicklung der Kunst vom fünfzehnten bis neunzehnten
Jahrhundert - von der Frührenaissance bis zur Romantik - zu verfolgen. Besonderer Nachdruck liegt
dabei auf der Kunst des Barock des siebzehnten Jahrhunderts. Eine Vielzahl von Meisterwerken
dokumentiert die Blütezeit der flämischen und niederländischen Schulen. Ebenso gibt es
charakteristische Beispiele der italienischen und deutschen Kunst, jedoch kaum französische Arbeiten
und kein einziges spanisches Bild. Die Fürsten von Liechtenstein hatten nie den enzyklopädischen
Ehrgeiz wie viele öffentliche Museen. Was als Homogenität in der Sammlung angesehen wird, ist
lediglich das Ergebnis allmählicher Anhäufung, entsprechend der jeweiligen individuellen Vorliebe
und ganz unterschiedlicher ästhetischer Ideale. Während die Anschaffungen bis zu einem gewissen
Grad den dominierenden Geschmack der Periode, in der sie angefertigt wurden, widerspiegeln, so
sind sie doch vor allem Ausdruck der Kunstleidenschaft des jeweiligen Sammlers, die man sich - wie
die Bilder bekunden - immer um ihrer selbst willen gönnte. Jeder der großen fürstlichen Sammler
drückte der Liechtensteiner Galerie den Stempel seiner eigenen Persönlichkeit auf.
Der Kern der Liechtensteiner Sammlung, in der Hauptsache Familienporträts - beispielsweise Hans
Mielichs Bildnis des Grafen von Haag -, kann auf das sechzehnte Jahrhundert zurückverfolgt werden.
Aber erst mit Karl Eusebius (1611-1684) begann ein kontinuierlicher Aufbau der Gemäldesammlung.
In seinem Werk von der Architektur hatte der Fürst geäußert, daß eher Wandteppiche als Bilder die
Wände der Liechtensteiner Paläste schmücken sollten. Gemälde, so meinte er, sollten in einer speziell
dafür entworfenen Galerie ausgestellt werden, die es dem Betrachter erlauben würde, ihre Schönheit
und Bedeutung besser zu begreifen. Wahrscheinlich hatte sich der Fürst vom Beispiel der Italiener
beeinflussen lassen, denn im sechzehnten Jahrhundert war die Galerie als unabhängiges Gebäude für
die Ausstellung von Bildern das Merkmal italienischer Residenzen gewesen. Der Vorschlag des
Fürsten ist um so bemerkenswerter, als er auf getrennten Galerien für Gemälde und Skulpturen
bestand. Diese nachdrückliche Unterscheidung stellte einen Bruch mit der Tradition dar: Die
Kunstkammer mit ihrer breiten Mischung von außergewöhnlichen Kuriositäten und Artefakten wurde
durch die Galerie, in der jedem Kunstwerk sein unabhängiger Status zuerkannt wurde, ersetzt.
Fürst Karl Eusebius brachte die Sammlung in einer besonderen Kammer seiner Hauptresidenz Schloß
Feldsberg unter, wo “die Gemälde vor Feuer geschützt” seien. Da Feldsberg im achtzehnten
Jahrhundert größtenteils umgebaut wurde, kann man nicht mehr mit Sicherheit sagen, wie der Raum
ursprünglich ausgesehen hat. Es gibt jedoch ein fast vollständiges Verzeichnis der Erwerbungen des
Fürsten zwischen 1669 und 1684, was einen Einblick auf Inhalt und Umfang der Gemäldesammlung
gibt. Obwohl nur ein Teil dieser Gruppe von Bildern heute identifiziert werden kann, so vermitteln
diese Quellen doch ein zuverlässiges Bild vom Fürsten als Kunstsammler. Er war sicher in seinem
Urteil, traf seine Wahl nach sorgfältiger Überlegung und gab häufig Bilder zurück. Er bevorzugte
kleine, fein ausgeführte Bilder und entwickelte eine Vorliebe für die Werke der unbedeutenderen
Meister der flämischen und niederländischen Schule.
Sein Sohn und Nachfolger, Fürst Johann Adam (1657-1712), brachte mehr als nur den Geschmack
einer neuen Generation in die Sammlung von Kunstwerken ein. Er revolutionierte die Grundnormen,
die sich auf alle Aspekte des Prozesses auswirkten, von seiner persönlichen Beteiligung beim Erwerb
bis zum Aussehen und der Qualität der Kunstwerke, die er erhielt. Karl Eusebius’ Vorliebe für die
zurückhaltenderen Formen künstlerischer Ausdruckskraft wichen einer enthusiastischen Kombination
von kraftvollen Objekten und Bildern mit grandiosen Kompositionen. Anstelle von Landschaften und
Genreszenen, die ein tiefgehendes Kunstverständnis verlangten, wurden nun Historienbilder in
Auftrag gegeben und gesammelt. Das Kabinettstück mit seinen bescheidenen Ausmaßen wurde von
lebensgroßen Figurendarstellungen verdrängt, die den Raum, wo sie angebracht waren, dominierten.
Fürst Johann Adam war der Meinung, daß die italienische Kunst - insbesondere die Malerei in