Mit der idealen Sammlung von Skulpturen meinte Karl Eusebius vor allem Kunstgegenstände der
Antike. Die Galerie, die er beschrieb, gehörte nicht der Tradition der deutschen Kunstkammer an,
sondern derjenigen der italienischen Sammlungen. In Rom und Florenz hatte er wahrscheinlich
Gelegenheit gehabt, diese zu bewundern. Karl Eusebius drängte seinen Nachfolger, antike
Marmorskulpturen zu sammeln und da man diese nicht in Deutschland finden könne - nur in Italien
gäbe es solche Skulpturen - solle man die Gefahren des Transports solcher schweren und doch so
zerbrechlichen Stücke vermeiden und sich Bronzekopien davon anfertigen lassen. Für solche Kopien
war ein sehr guter Bildhauer nötig, der Gipsformen anfertigen, sie in Bronze gießen und danach
sorgfältig ziselieren können sollte, so daß sie dem Original in nichts nachstehen würden. Für die
größeren Statuen konnte man sich auch mit den weißen Gipsformen begnügen, da sie Marmor
ähnlicher sahen. Statuen konnten auch in Ton geformt und gebrannt werden. Sie waren zwar stabiler
als die Gipsformen, aber farblich weniger ansprechend. Zum Schluß fügte Karl Eusebius hinzu, daß
auch Marmorstatuen in Auftrag gegeben werden könnten, solange der Stein nicht weiß, sondern
einen fleischfarbenen Ton hätte, denn wie bei den Gemälden läge die Schönheit und Vollkommenheit
von Skulpturen in ihrer Ähnlichkeit mit der Natur. Diese letzte Aussage zeigt, daß Karl Eusebius
trotz seines Klassizismus bereits an der Schwelle zu einer neuen Zeit stand. In der Tat würde der
triumphale Einzug des Barock nur ein paar Jahre später die konservative und irgendwie in sich
geschlossene Welt, in der der Fürst lebte, von Grund auf verändern.
Karl Eusebius starb im Jahre 1684, ein Jahr nach der Befreiung Wiens von der türkischen
Bedrohung. Sein Sohn und Nachfolger, Fürst Johann Adam Andreas (1657-1712), den er so
sorgfältig in Architektur und den schönen Künsten ausgebildet hatte, würde eine bedeutende Rolle in
den neuen Zeiten, die für Österreich und seine Nachbarländer angebrochen waren, spielen. Nach
seiner Erziehung in Wien war Johann Adam ein Jahr in Frankreich, den Niederlanden und Italien
herumgereist und hatte bei der Konstruktion eines der Familienschlösser in Plumenau in Böhmen, das
Karl Eusebius selbst entworfen hatte, als Leiter der Bauarbeiten praktische Erfahrungen gesammelt.
Wie sein Vater interessierte sich der junge Fürst sehr für Architektur, aber er ging es anders an,
konzentrierte sich vor allem auf Wien, wo er unverzüglich den Bau zweier Paläste im römisch-
barocken Stil in Angriff nahm: ein Gartenpalais in Rossau, außerhalb der Stadtmauern Wiens, mit
dessen Bau 1688 begonnen wurde, und ein neues Stadtschloß in der Bankgasse in der Nähe der
Hofburg, dessen Bauarbeiten 1694 begannen. Beide Gebäude wurden kurz nach 1710 fertiggestellt,
und Johann Adam widmete seine ganze Energie der Dekoration der beiden Bauwerke, erwarb
Gemälde, Fresken und Skulpturen über das ausgedehnte Netz von Kontakten, die er mit Händlern
und Künstlern in ganz Europa geknüpft hatte.
[In seinem Interesse an der Bildhauerei spiegelte sich sein Wunsch wider, Werke zu bekommen, die
mit dem grandiosen Entwurf der beiden Liechtensteiner Schlösser und den Gemälden, die er für ihre
Galerien in Auftrag gab, harmonisieren sollten. Er kannte einige der großen Paläste in Italien; er war
in Rom und Florenz, möglicherweise auch in Genua und Venedig gewesen und wollte sich eine Reihe
von Marmorbüsten der besten verfügbaren Bildhauer beschaffen. Die Thematik der Werke war für
ihn nicht weiter von Bedeutung, sie sollten sich nur so nahe wie möglich an der Natur orientieren,
wie Karl Eusebius empfohlen hatte. Vor allem wünschte er, daß die Bildwerke, ungeachtet ihres
Mediums, die morbidezza (Weichheit der Konturen) haben sollte, die er an italienischen Gemälden so
schätzte.
Bereits 1691 stellte der Maler Marcantonio Franceschini den Kontakt zwischen Johann Adam und
dem führenden Bildhauer Bolognas der damaligen Zeit, Giuseppe Maria Mazza, her. Von 1692 bis
1702 korrespondierte der Fürst mit Mazza und erhielt sechs mythologische Marmorbrüsten, zwei
Marmorstatuen (Herkules tötet die Schlangen und Bacchus als Kind), zwölf Terrakotta-Gruppen mit
mythologischer Thematik und drei Terrakotta-Modelle für Vasen (Arfelli 1934). Von allen
Tonbildwerken sollten Kopien in Stein für die Gärten in Rossau angefertigt werden.