Gegenwart. Laut Pausanias (Reisebericht über Griechenland 2.7.7) erlegen die Zwillinge die
Schlange jedoch gemeinsam. Zweifellos wußte Franceschini auch, daß das Ereignis stattfinden
mußte, während die Zwilling noch jung waren, insofern mußte das Geschehen gleich auf die Szene
mit Latona und den lycischen Bauern folgen. Die größte Freiheit erlaubte sich der Maler bei der
Darstellung der Schlange als geflügeltem Drachen, über dessen ziemlich groteske Merkmale er viel
nachgedacht zu haben scheint (es gibt große Veränderungen in der Position des Kopfes und der
Klauen). Apollos glatter Körper und seine Pose erinnern an antike Skulpturen.
Keith Christiansen
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Giuseppe Mazza
Bologna, 1653-1741
VENUS
Bologna, 1692
Marmor; Höhe 76 cm
Inschrift: G.M. 1692
Liechtenstein Inv. Nr. 1365
ADONIS
Bologna, 1692
Marmor; Höhe 76 cm
Inschrift: G.M.F. 1692
Liechtenstein Inv. Nr. 1366
Mazzas ausgezeichneter Ruf beruht hauptsächlich auf den wunderbar dekorativen Stuckskulpturen,
die er zwischen 1681 und ca. 1735 für viele Kirchen in Bologna und anderen Städten in Emilia
ausführte, und auf der großen Anzahl kleinerer Terrakotta-Arbeiten, die meistens religiöse Themen
darstellen. Während seiner ganzen Karriere unterhielt Mazza enge Beziehungen zu zeitgenössischen
Malern in Bologna, und viele seiner Werke halten einem Vergleich mit den Bildern seines Lehrers
Lorenzo Pasinelli und seiner Freunde und Mitarbeiter Gian Gioseffo Dal Sole und Marcantonio
Franceschini durchaus stand. Mazza arbeitete viel weniger in Marmor und meistens nur für private
Auftraggeber, von denen Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657-1712) der
bedeutendste war. Zwischen 1692 und 1702 lieferte Mazza dem Fürsten vier Marmorbüsten (Venus
und Adonis, Bacchus und Ariadne, zwei überlebensgroße Marmorstatuen (Herkules und Bacchus),
acht kleine Terrakotta-Gruppen nach mythologischen Themen und drei Terrakotta-Modelle für
Vasen (Zanotti 1739, Bd. 2, S. 10).
Die beiden signierten und datierten Büsten von Venus und Adonis wurden am 2. März 1692
fertiggestellt. Arfelli (1934, S. 419, 425-426) identifizierte sie korrekt als die Büsten, die Mazza in
einem Brief an den Fürsten von Liechtenstein erwähnt. Als Gegenstücke konzipiert, spielen sie auf
Venus’ leidenschaftliche Liebe zu dem jungen Jäger Adonis (Ovid, Metamorphosen 10.524f£f.) an.
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