Außerdem würde es die Adonis-Reihe besser ergänzen (beide beinhalteten Jagdszenen) und sich eher
für ein Gartenpalais eignen. Der Fürst hatte seine Bewunderung für die meisterhafte Darstellung der
nackten Figuren mehr als einmal bekundet (siehe z.B. seinen Brief vom 25. März 1693 an
Franceschini), und die Briefe über die nackte Venus verfehlten ihre Wirkung ebenfalls nicht. Als die
vier großen Bilder des Diana-Zyklus in Wien ankamen, bestätigte die Reaktion des Fürsten
Franceschinis Wahl (in der Annahme, daß er, und nicht der Fürst, für die Änderung verantwortlich
sei): "Diesmal ist Ihre Arbeit Ihnen so hervorragend gelungen, daß wir alles zu unserem Geschmack
und unserer vollsten Zufriedenheit finden. Wir zweifeln nicht daran, daß Sie nicht weniger für die
restlichen Bilder tun werden, denn es scheint, als ob die Fensterstücke, die wir bereits haben [zwei
davon zeigten zum Teil verhüllte Frauengestalten] nicht so schön ["non vi € tanta vaghezza"] sind
wie die beiden obengenannten Werke" (Brief vom 11. Februar 1699).
[n dem begleitenden Diagramm wurde Franceschinis Anordnung befolgt. Es bleiben aber einige
Ungewißheiten bezüglich der Reihenfolge von drei Türbildern im Diana-Zyklus (Nr. 4, 6 und 9) und
die Plazierung der sechs Fensterstücke des Adonis-Zyklus. Franceschini hatte die Bilder für die
Türen auf der Rückseite numeriert, da die Nummern im Endeffekt jedoch nicht übertragen wurden
(der Verbleib eines der Bilder ist unbekannt, und die beiden anderen befinden sich im Rathaus in
Aachen; siehe Millers Studie), kann man ihnen nur einen vorläufigen Platz im Zyklus zuweisen.
Etwas anders liegt der Fall bei den sechs Fensterstücken, die alle von Franceschinis Schüler
Francesco Antonio Meloni eingraviert wurden, denn obwohl Franceschini ihre Themen nirgends
erwähnt (siehe hierzu Callahan 1979), so sollten sie die großen Gemälde, die sie flankierten,
ergänzen, was eine zuverlässigere Aussage über ihre Anordnung erlaubt.
Der Auftrag für diese beiden erzählerischen Zyklen war wichtig für Franceschinis Karriere. Als er
1691 mit den Arbeiten für den Fürsten begann, war er der begehrteste Maler in Bologna und der
führende Exponent des Klassizismus. Zanotti (1739, Bd. 1, S. 221) erzählt, wie der junge
Franceschini, während er noch als Assistent für Carlo Cignani in der Kirche San Michele in Bosco
arbeitete, Stunden im Kloster damit verbrachte, die berühmten Freskomalereien Ludovico Carraccis
zu kopieren. Verschiedene Szenen aus den beiden Zyklen, die er für das Gartenpalais in Liechtenstein
ausgeführt hatte, lassen ein ebenso tiefgehendes Studium der Werke Domenichinos und Albanis
erkennen (siehe Miller 1957, S. 233-234). Bedeutender jedoch als das Werk eines einzelnen
Künstlers war die akademische Tradition in Bologna, das Vermächtnis der Carracci und ihrer
Schüler, die den Schwerpunkt auf das Zeichnen legte. Das Zeichnen wurde als das Mittel verstanden,
visuelle Eindrücke in ein Reich vollkommener Schönheit zu übertragen und sorgfältig konzipierte
Gesten und affetti zu gebrauchen, um den Inhalt einer Geschichte darzustellen. Laut Zanotti (1739,
Bd. 1, S. 245) widmete sich Franceschini vor allem dem Zeichnen, und der anonyme Autor einer
weiteren Biographie - möglicherweise Franceschinis Sohn - beschreibt, wie Franceschini seine
Abende damit verbrachte, seine verschiedenen Projekte in vorbereitenden Skizzen auszuarbeiten. Die
Details würde er sich aus dem wirklichen Leben nehmen. Zum Schluß entstand eine kompositionelle
Zeichnung, die mit einem Quadratnetz überzogen werden konnte, um auf eine Leinwand übertragen
zu werden bzw. die als Karton zur Vorbereitung der Ausführung von Freskomalereien benutzt
werden konnte. Dies war die Methode, die Annibale Carracci hinterließ und die von Carlo Cignani,
einem Schüler Albanis und Lehrer Franceschinis, an jenen weitergegeben wurde (siehe Zanotti 1739,
Bd. 1, S. 155-156 und 161). Gleichermaßen von Bedeutung war auch die von Zanotti bescheinigte
Liebe Franceschinis zur Literatur. Franceschini selbst beschrieb seine Ziele in einem Brief, den er
Fürst Johann Adam Andreas am 11. Juni 1692 schrieb, indem er die Auffindung des Knaben Moses,
das er gerade für den Fürst fertiggestellt hatte, erklärte. "Ich habe mich bemüht, jene Merkmale
wiederzugeben, die der Bedeutung der Geschichte entsprechen," so schreibt Franceschini. "[Im Kind]
habe ich versucht, eine süße Lieblichkeit zum Ausdruck zu bringen, indem ich es malte, wie es seine
Arme ausstreckt, als ob es sanft um Gnade bitten würde." Eine Dienerin der ägyptischen Prinzessin
"wird dargestellt, wie sie der Prinzessin nahelegt, das Kind zu retten und sich, indem sie ihre Hand an
ihre Brust legt, als Amme anbietet." Der Brief, wie auch das Bild, dürften den Fürsten davon
überzeugt haben, daß Franceschini ausgesprochen qualifiziert sein dürfte, um zwei mythologische