Volltext: Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

VIE 
Marcantonio Franceschini 
Bologna, 1648-1729 
SZENEN AUS DEN MYTHEN VON ADONIS UND DIANA 
Der Auftrag für die beiden Folgen von Gemälden, zu denen die hier gezeigten vier Bilder gehören, 
stammt vom 4. September 1692, als Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein einen Brief an 
Marcantonio Franceschini in Bologna schrieb, daß "wir in einem unserer Gebäude gerne zwei Räume 
mit Gemälden anstelle von Wandteppichen dekorieren möchten, und fragen wollen, was Sie für eine 
solche Arbeit verlangen, so daß ein Vertrag aufgesetzt werden kann." Das Gebäude, um das es sich 
hier handelte, war das Gartenpalais außerhalb Wiens, das der Fürst ım Jahre 1687 erworben hatte. 
Pläne dürfte es bereits am 10. Dezember 1691 gegeben haben, als ein Steinmetz für die Arbeiten 
beauftragt wurde (siehe Passavent 1967, S. 109ff.). Auf jeden Fall lagen dem Brief vom 4. 
September 1692 an Franceschini detaillierte Zeichnungen mit Angabe der Größe und den Positionen 
der Bilder bei. Franceschini hatte bereits eine Vielzahl von größeren dekorativen Aufträgen 
ausgeführt, wovon die rezenteste seine Arbeit in der Kathedrale von Piacenza war. Er schien der 
geeignete Kandidat für den Auftrag zu sein, insbesondere da eine Reihe von Bürgern aus Bologna in 
Diensten des Fürsten ihn empfehlen konnten (Brief des Fürsten an Franceschini vom 26. Oktober 
1692). Nichtsdestoweniger hatte der Fürst Franceschini zunächst mit weniger bedeutenden Arbeiten 
beauftragt, um einen Eindruck von dessen Können zu gewinnen. 1691 bekam der Künstler dann den 
Auftrag für zwei Brustporträts von Prudence und Justitia. Auf diesen folgte ein Auftrag für ein 
narratives Bild ("un quadro historiato") mit einem profanen Thema, "da alle Bilder dieser Galerie 
säkularen Inhalts sind" (Brief vom 12. Juni 1691). Seltsamerweise wählte Franceschini die 
Auffindung des Knaben Moses als Thema und schickte sein Werk ein Jahr später ab. Auf dieses Bild 
hin (gegenwärtig im Kunsthistorischen Museum in Wien) vergab der Fürst den Auftrag für zwei 
große Zyklen in seinem Gartenpalais an Franceschini. 
Wie aus dem Brief hervorgeht, sollten anfangs siebzehn Bilder, auf zwei Räume verteilt, entstehen. 
Für das erste Zimmer sollte Franceschini drei große, vertikale Gemälde (sie sollten in einer Höhe von 
1,2 Meter über dem Fußboden angebracht werden, damit darunter Platz für Möbel blieb), ein etwas 
kleineres Bild über dem Kamin, fünf horizontale Gemälde über den Türen und ein Bild für die Decke 
malen. Für das zweite Zimmer waren drei große Gemälde (wie im ersten Zimmer sollte der untere 
Rand des Bildes 1,2 Meter vom Boden entfernt bleiben), ein kleineres Bild über dem Kamin, zwei 
horizontale Bilder über den Türen und ein Deckengemälde (beide Deckenbilder wurden später als 
kreisförmig spezifiziert) vorgesehen. "Und in jedem Raum," so steht im Brief, "soll eine andere 
Geschichte oder Fabel Ovids behandelt werden, da profane Dinge diesem Ort eher entsprechen." Das 
Bestehen auf dem profanen Charakter der beiden Zyklen ist wohl der Enttäuschung des Fürsten 
zuzuschreiben, als er die Auffindung des Knaben Moses anstelle des von ihm in Auftrag gegebenen 
säkularen Bildes erhielt. Als Franceschini begann, den Geschmack des Fürsten besser zu verstehen, 
gelang es ihm auch, seine selbsterklärte Prüderie den Wünschen seines Auftraggebers anzupassen. Im 
August 1692, kurz vor der Vergabe des Auftrags für die Zyklen, hatte der Fürst eine nackte Venus 
von Franceschini verlangt. In einem interessanten Brief schlägt der Künstler vor, die Venus bekleidet 
zu malen, "da ich sonst die große Bereitschaft, ihren geschätzten Anweisungen Folge zu leisten, 
durch meine unüberwindbaren Skrupel, laszive Dinge zu malen, verhindert sehe ... da ich mir fest 
geschworen habe, in meinem Leben nie eine [nackte Gestalt] zu malen" (Brief vom 10. September 
1692). Daß Franceschini wirklich empfand, was er sagte, bestätigt Zanotti in seiner Biographie des 
Malers von 1739. Der Fürst zeigte sich einverstanden, sofern die Venus "nicht völlig bedeckt würde, 
sondern nur die schamhaften Stellen" (non anche per tutto cuoperta se non in luogho vergognoso" - 
Brief vom 12. Oktober 1692). Einen Monat später versicherte Franceschini dem Fürsten, daß die
	        

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