Volltext: Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

standen doch vor alters wohl eben dergleichen auf derselben Stelle. Nun sieht man an 
dem ganzen langen Gebirgsrücken des Ätna hin, links das Meerufer bis nach Catania, ja 
Syrakus; dann schliesst der ungeheuere dampfende Feuerberg das weite breite Bild, aber 
nicht schrecklich, denn die mildernde Atmosphäre zeigt ihn entfernter und sanfter als er 
ist.» Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), Johann Georg von Dillis (1759-1841), Julius 
Schnorr von Carolsfeld (1794-1872) und Carl Rottman (1797-1850) hatten im frühen 19. 
Jahrhundert das Theater zum Teil wie Waldmüller von der obersten auch von Goethe als 
Beobachtungsstandpunkt eingenommenen Sitzreihe gezeichnet. Gegenüber diesen 
frühromantischen Ansichten besticht Waldmüllers Gemälde durch eine geradezu 
fanatische Präzision der Wiedergabe. Die gleissend-grelle Sonnenbeleuchtung eines 
sizilianischen Sommers atomisiert die Ruine und den kargen Boden zu einer Vielzahl von 
Details, die mit ausserordentlicher Sehschärfe geschildert sind. Geblendet von der 
Konfrontation mit der Sonnenreflexion begreift auch der Betrachter des Gemäldes das 
Licht als das eigentliche künstlerische Erlebnis Waldmüllers. (Zur Waldmüllers 
Sonnenlichtmalerei vergleiche auch die folgende Katalog-Nummer.) 
Reinhold Baumstark 
LITERATUR: A. Roessler u. G. Pisko, Ferdinand Georg Waldmüller, Wien 1907, Taf 173; Kat. 1931, 
Nr. 2076; H. Beenken, Das Panorama von Taormina in der deutschen Landschaftsmalerei vor 1850, in: 
Das Werk des Künstlers 2, 1941/42, S. 274 ff., Abb. 13; Kat. Ausst. 1950, Nr. 334; B. Grimschitz, 
Ferdinand Georg Waldmüller, Salzburg 1957, S. 51, Abb. 72, Nr. 644; M. Buchsbaum, Ferdinand 
Georg Waldmüller 1793-1865. Salzburg 1976, S. 178. 
RUINEN DES JUNO LACINIA-TEMPELS BEI AGRIGENT 
Holz 31 x 39 cm Bez. Waldmüller Liechtenstein Inv. Nr. 2080 Erw. 1890 durch Fürst 
Johannes II. 
Auf felsiger Anhöhe dem Verlauf der Stadtmauer wie in Intervallen folgend waren in 
griechischer Zeit fünf Tempel für die Ansiedlung Agrigent auf Sizilien errichtet worden, 
einem Diadem der Stadtsilhouette vergleichbar. Waldmüller wählte für seine Ansicht des 
Tempels der Juno Lacinia den Blick von Norden, von Agrigent nach Süden zum Meer, 
das zwischen Bergeinschnitten aufblitzt. Damit erschloss sich ihm der gegen 450 vor 
Christus erbaute Peripteros von seiner besterhaltenen Längsseite. Dem Auge wird es 
möglich, die vom Maler verschwiegenen ruinösen Fronten zu rekonstruieren. 
Demgegenüber hatte die Illustration von Franz Hegi nach Carl Ludwig Frommel im 
Werk «Voyage pittoresque en Sicile», Paris 1822, und dieser folgend die Ansicht Carl 
Rottmanns (1797-1850) in München, sowie das zwischen Caspar David Friedrich (1774- 
1840) und Carl Gustav Carus (1789-1869) strittige Mondscheinbild in Dortmund den 
Tempel von seiner östlichen Front und damit auch die Einbrüche in seine Bausubstanz 
gezeigt. Waldmüllers Bild ist entgegen vereinzelter Angaben in der Literatur nicht auf 
das Jahr 1845 datiert; doch ist aus stilistischen Erwägungen eine Entstehung weitaus 
näher zu seinem Taormina-Gemälde von 1844 als zu der folgenden weiteren Agrigent- 
Ansicht von 1849 anzunehmen, sicherlich aber vor dem Jahr 1846, aus dem eine 
Wiederholung des Vaduzer Gemäldes in Wiener Privatbesitz bekannt ist. - In einer seiner 
Streitschriften hatte Waldmüller 1846 die Forderung aufgestellt: («dass das Colorit bei 
einem wirklichen Kunstwerke nur als eine Nebensache erscheint, und nur die plastische 
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