Volltext: Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

DAS LIECHTENSTEINER GARTENPALAIS 
Historische Ereignisse - das Ende einer großen Schlacht oder ein Machtwechsel - besitzen häufig 
symbolischen Wert, wenn man die Geschichte des Geschmacks und die Entwicklung des Stils 
zurückverfolgt. In der Diskussion über das kulturelle Leben im Wien des siebzehnten Jahrhunderts 
kann das Jahr 1683 in diesem Sinne betrachtet werden. Damals wurden die Türken, die die Stadt 
belagerten, von den vereinten Truppen Kaiser Leopolds I., des Königs von Polen und der Kurfürsten 
von Bayern und Sachsen, mit finanzieller Unterstützung des Papstes, Savoyens, der Toskana, 
Genuas, Spaniens und Portugals geschlagen. Zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten konnte sich die 
Stadt sicher jenseits ihrer Mauern ausdehnen. Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657- 
1712) gehörte zu den ersten, die diese neue Situation ausnutzten: Im Juni 1687 erwarb er im 
Außenbezirk Rossau Land, um darauf ein Sommerschloß mit Garten errichten zu lassen. 
Als Junger Mann von außergewöhnlicher Bildung und großem Reichtum - er wurde später als “Hans 
der Reiche” bekannt - hatte Johann Adam von seinem Vater nicht nur Land geerbt, sondern auch die 
Kunstleidenschaft, die auf fundierten Kenntnissen der Architektur gründete. Er solle ein perfekter 
Architekt werden, hatte Fürst Karl Eusebius seinem Sohn 1681, knapp drei Jahre vor seinem Tod, 
geschrieben, einer, der Michael Angello Bonarota [Michelangelo], Jacomo Barozio Daviniola 
[Vignola] - ihren geschätzten Meister, von dem sie gelernt und die “cinque ordini” übernommen 
hätten -, Bernin [Bernini], und andere überflügeln würde (Fleischer 1910, S. 83). Dies waren keine 
leeren Worte, denn außer seinen Schriften über Erziehung und Pferdezucht hatte der ältere Fürst 
seinem Sohn eine Abhandlung über Architektur hinterlassen, die Johann Adams Geschmack sehr 
beeinflußt zu haben scheint. Außerdem hatte er sein Können als Amateurarchitekt mehrfach unter 
Beweis gestellt. Wie die Liste der Architekten, die er seinem Sohn als Musterbeispiele hinstellte, 
vermuten läßt, hatte Karl Eusebius eine ausgesprochene Vorliebe für italienische Architektur. “In 
seinen Bauwerken übertrifft Italien [Welshlandt] die ganze Welt, so daß man seiner Art und keiner 
andere folgen sollte, denn sie ist wunderbar, imposant und majestätisch” (Fleischer 1910, S. 183), 
schreibt Karl Eusebius in seiner Abhandlung. Dieses Vorurteil war im Österreich des siebzehnten 
Jahrhunderts, wo italienische Architekten und Handwerker in Scharen umherzogen, sehr verbreitet. 
Und die Botschaft fiel bei Johann Adam auf fruchtbaren Boden. 
Für den Entwurf des Gartenpalais - das erste große Projekt des Fürsten - wandte sich Johann Adam 
an den talentiertesten österreichischen Architekten jener Zeit, Johann Bernard Fischer von Erlach, 
einen Zeitgenossen des Fürsten, der nach sechzehn Jahren gerade aus Italien zurückgekehrt war. Der 
Architekt entwarf das Belvedere und die Parktore für den neu erworbenen Besitz. Das Belvedere, 
eine Struktur mit zwei Flügeln und symmetrisch angeordneten, gewundenen Treppen, war sowohl 
phantasievoll als vornehm römisch, ein Zeugnis des gemeinsamen Geschmacks von Auftraggeber und 
Architekt. Leider wurde es 1873 zerstört, um für eine weitere Konstruktion im italienischen Stil Platz 
zu schaffen. Es blieb teilweise erhalten, zwar in leicht veränderter Form, in Bellottos Seitenansicht 
des Liechtensteiner Gartenpalais in Wien, dessen mittlerer Bogen mit dem Giebeldreieck die Umrisse 
der Berge in der Ferne widerspiegelt. Der Fürst beauftragte Fischer von Erlach ebenfalls mit der 
Errichtung von palastartigen Ställen für seinen Landsitz in Mähren; für das Gartenschloß selbst aber 
bestand Johann Adam auf einem Architekten italienischer Herkunft und Ausbildung. Nach Vincenzo 
Fanti, der im achtzehnten Jahrhundert die Liechtensteiner Sammlungen katalogisierte, handelte es 
sich bei diesem Architekten um den Toskaner Domenico Martinelli aus Lucca, einen Schüler Carlo 
Fontanas in Rom, der im Jahre 1690 nach Wien gekommen war. Seine Referenzen entsprachen 
sicherlich den Wünschen des Fürsten. Jedoch gehen neuere Forschungen davon aus, daß Domenico 
Egidio Rossi aus Bologna der Zeichner jenes Entwurfs war, den Martinelli später grundlegenden 
Veränderungen unterwarf. Rossi war in Mitteleuropa sehr bekannt und wäre sicherlich eine logische 
Wahl gewesen. Die Identität des Architekten ist letztendlich jedoch weniger wichtig als der 
Charakter des Bauwerks, das schließlich errichtet wurde.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.