später erklärte sein Vater den Achtzehnjährigen als volljährig und erkannte damit seinen neuen Status
an. Da die Gilde es keinem Künstler, der nicht Meister war, erlaubte, ein Bild zu verkaufen, muß das
Datum, das so deutlich auf dem vorliegenden Bild zu erkennen ist, den Anfang von van Dycks
Karriere markieren.
Natürlich hatte van Dyck bereits vor 1618 gemalt. Der talentierte junge Mann muß bereits früh
seinen Lehrer, Hendrick van Balen, dessen Gehilfe er 1609 geworden war, überflügelt haben. (Es ist
nicht bekannt, wann er die Werkstatt van Balens verlassen hat.) Ein Selbstporträt in Wien zeigt den
jungen Mann im Alter von etwa fünfzehn Jahren. Kurze Zeit später muß er eine Reihe von
Apostelbüsten gemalt haben, die sich heute in verschiedenen Sammlungen befinden. (Diese Serie ist
nicht mit der sogenannten Boehler-Serie der Apostel zu verwechseln, die erst später entstand.) Im
Jahre 1660 machte ein Zeuge in einem Gerichtsverfahren eine Aussage, die häufig in Studien über
van Dyck erwähnt wird und in der eine solche Serie beschrieben sowie die Behauptung aufgestellt
wird, van Dyck habe bereits 1616 eine Werkstatt mit Gehilfen gehabt. Hierbei scheint es sich jedoch
um keine verläßliche Aussage zu handeln (Roland 1984). Schließlich gibt es überzeugende Versuche
im Bereich der Historienmalerei, die mit Sicherheit entstanden, bevor van Dyck in Kontakt mit
Rubens' Atelier um das Jahr 1618 kam. All diese Frühwerke können als Lehrstücke angesehen
werden, als erste Versuche eines jungen Genies. Um die jugendlichen Fertigkeiten jedoch besser
beurteilen zu können, sollte man sich den Werken zuwenden, die er als professioneller Maler nach
seiner Niederlassung als Meister ausführte.
Das Datum 1618 befindet sich nicht nur auf dem Porträtpaar in Vaduz, sondern auch auf einem
Porträt mit seinem Gegenstück in Dresden, die ein älteres Paar darstellen. Einige andere undatierte
Porträts könnten diesen hinzugefügt werden. Zusammen bilden sie eine kohärente Gruppe, die van
Dycks frühesten Porträtstil dokumentiert. Die Porträts aus Dresden entstanden wahrscheinlich
zuerst, gefolgt vom Porträt eines Mannes in Vaduz. Dieses Bild und sein Gegenstück, das hier
gezeigte Porträt einer Frau, wurden nicht Seite an Seite gemalt. Sie haben nicht exakt die gleiche
Größe, und eine stilistische Begutachtung zeigt, daß das vorliegende Porträt kurz nach dem
männlichen Gegenstück angefertigt wurde. Der Hintergrund wurde dünn und hastig aufgetragen,
während derselbe Bereich des männlichen Pendants kräftig ausgeführt wurde und den Hintergrund
gut deckt. Auch sind bei einem Vergleich beider Bilder Fortschritte bezüglich der künstlerischen
Fertigkeiten van Dycks zu erkennen, was zeigt, wie schnell sich van Dyck innerhalb eines einzigen
Jahres weiterentwickelt hatte. Wer die Personen auf den Bildern sind, ist nicht bekannt. Einziger
Anhaltspunkt ist das sorgfältig eingetragene Alter, Aet. 57 für den Mann und Aer. 58 für die Frau.
Ein weiterer Hinweis könnte jedoch auch die Darstellung der linken Hand des Mannes sein, die wie
eine künstliche Hand aus Holz aussieht, die später übermalt wurde und erst nach der Restaurierung
wieder zum Vorschein kam. Van Dyck stellte das Paar einfach und bescheiden in konventionellen
Halbbildern dar. Beide sind dem Betrachter zugewandt in einer etwas steifen, doch offenen Art. In
ihren schwarzen Sonntagskleidern und der weißen Halskrause sehen sie wie reiche Antwerpener
Bürger aus. Auf eine bemerkenswert geschickte Art und Weise belebt der junge Künstler die dunklen
Kostüme durch eine reiche Tonalität und verleiht den Falten der Halskrause und der Spitze der
Manschetten mehr Wirkung. Das Funkeln des Schmucks wird eingefangen durch ein Impasto, die
Fleischtöne, kraftvoll eingearbeitet in freien und noch nicht verwischten Pinselstrichen, sind ein
außergewöhnliches Beispiel der brillanten Sicherheit und der malerischen Fertigkeiten des Künstlers.
Die frühesten Porträts des neunzehnjährigen van Dyck sind vortrefflich gemalt; ihre Schwächen -
Unbeständigkeit im Umgang mit einer Vielzahl von Details und ein gewisser Mangel‘ an
kompositioneller Eleganz - würden bald überwunden sein. Sie stellen die ersten Erfolge in einer
langen Reihe von Werken dar, die später zu den herausragendsten Leistungen der westlichen
Porträtmalerei gehören würden
Reinhold Baumstark
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