Bild von jemandem gekauft worden sein, der sich lediglich von der Ästhetik des Werkes
angesprochen fühlte.
Das Liechtensteinische Gemälde scheint, all diesen Überlegungen zum Trotz, ein spezifisches Thema
zu haben. Die verschiedenen Früchte, von links nach rechts gesehen, sind Trauben, Pfirsiche, eine
große Quitte, wieder Trauben, eine offene Walnuß und Feigen. Alle werden mit der Fruchtbarkeit
assoziiert; die Quitte könnte Liebe und Heirat symbolisieren, während ein Pfirsich meistens negativ
als Zeichen der Lust interpretiert wurde (zeitgenössische Autoren beschrieben den Pfirsich als eine
exotische Frucht mit weichem Fleisch und einem harten Kern). Der populäre Moralist Jacob Cats
schlug sogar vor, Feinden Pfirsiche und Freunden Feigen zu schicken (Cats 1665, Bd. 1, S. 145;
Segal 1983, S. 16). Möglicherweise sind die Früchte links auf dem Bild und das venezianische Glas
als "Versuchung" zu deuten, wobei Walnuß und Feige (denen manchmal eine religiöse Bedeutung
zugeschrieben wurde) gemeinsam mit dem Silberbecher (Becher solcher Art wurden bei religiösen
Zeremonien wie Taufe und Hochzeit benutzt) eine spirituelle Alternative anbieten. Der Wein im
Delfter Krug und die Trauben könnten einen Hinweis auf Bacchus oder Christus sein, was die
Annahme einer moralischen Alternative stützen würde.
Moderne Interpretationen von holländischen und flämischen Bildern sind meistens nicht besonders
tiefgründig. Drei Motive in diesem Bild, zusammen mit den allgemeinen Hinweisen auf
Fruchtbarkeit, deuten darauf hin, daß es das Sakrament der Ehe preisen könnte. Erstens werden
Walnüsse bereits von Vergil und anderen römischen Schriftstellern im Zusammenhang mit
Frischvermählten erwähnt. Boswells Notizbuch offenbart, daß der römische Brauch, bei Hochzeiten
Walnüsse zu verstreuen, auch noch im achtzehnten Jahrhundert gepflegt wurde (Harris 1981, S.
197). Cats vergleicht die erste Ehe mit der Nuß in einer Metapher, die hier sehr passend scheint: "so
wie die beiden Hälften einer Schale zusammenpassen, so passen keine zwei Menschen besser
zusammen als die, die zusammen aufgewachsen sind" (Cats 1627, Bd. 3, Emblem Nr. 28, zitiert von
Segal 1983, S. 36). Zweitens könnte der silberne Becher in diesem Zusammenhang als
Hochzeitsbecher verstanden werden, auch wenn eine Inschrift oder ein eingraviertes Bild eines
passenden Heiligen fehlen, um dies zu bestätigen. Drittens erinnert die auffällige Plazierung des Stiels
über den Weintrauben stark an eine andere von Cats früher so bekannten Ehemetaphern (der Stiel
steht für die Ehe, die Trauben für körperliche Liebe): "That's the proper way, to gain your cherished
aim, / To take it without stain, to hold it without blame" (de Jongh 1974, S. 166-171; Cats 1618,
zitiert von de Jongh 1974, S. 174: Das ist der richtige Weg, dein geliebtes Ziel zu erreichen / es zu
nehmen ohne Makel. es zu halten ohne Schuld).
In mehr als einem Sinn unterscheidet sich dieses Bild also von den monochromen Bankettgemälden,
die in Haarlem gemalt wurden und meistens ein mahnendes Thema enthalten. Das Bild wäre ein
perfektes Hochzeitsgeschenk gewesen. Zu bestimmen, ob es eines war, bedarf es eines schriftlichen
Belegs, ohne den die Symbolik des Bildes jedoch den Mutmaßungen des Betrachters überlassen
bleiben muß.
Walter Liedtke
LITERATUR: Kat. 1767, Nr. 95; Kat. 1780, Nr. 86; Kat. 1873, Nr. 1170; Kat. 1885, Nr. 778; Toman 1888, S. 132-
133: Greindl 1956, S. 174: Bergström 1956a, S. 204; Baumstark 1980, Nr. 80.
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