Manches aber von dem, was Hubala schreibt, läßt sich bei Josse de Momper wiederfinden, dessen
Werk, und daran sei erinnert, zu ca. zwei Drittel im 17. Jahrhundert enstanden ist, er ist eben
keineswegs nur der Wahrer manieristischer Tradition, sondern stellt sich mit Gemälden wie den
beiden « Großen Gebirgslandschaften » ebenbürtig neben die Landschaftsmalerei eines Peter Paul
Rubens.
Erich Hubala:
«Im 17. Jahrhundert aber galt das hauptsächliche Streben der Kunst nicht der Trennung, sondern der
Vereinigung von Natur und Vernunft: « Die menschliche Figur erscheint eingebettet in eine Sphäre
allgemeinen Widerhalls bei vernunftsgemäßer Form - darin liegt das neue gegenüber dem 16.
Jahrhundert » (K. Bauch). Man verhielt sich gleichsam naiv, nicht sentimental gegenüber der immer
wachsenden Spannung in dieser Welt und entwand sich dem Teufelskreis, der sich zwischen
Rationalismus und Machtgefühl einrichtete. Die Kunst dieser Zeit ist allem analytischen Verhalten
abhold - es ist aussichtslos, einen direkten wesentlichen Zusammenhang zwischen Naturwissenschaft
und Kunst im 17. Jahrhundert zu konstruieren (S. J. Ackermann). Der Künstler faßt selbst die
verzwicktesten Hindernisse noch als willkommenen Anlaß auf, mit seinen Phantasiekräften darüber
zu triumphieren; das Wahrsscheinliche fällt noch mit dem Natürlichen zusammen, das Ideal ist
Dynamik, also Kraftäußerung, nicht Bewegung. Tatsächlich hat diese Zeit die Lebenskraft und alles
Große und Spontane so hoch eingeschätzt und so rückhaltlos bewundert, daß der ungeheure
Gedanke, den Descartes unter die Menschen geworfen hatte, in seinen Konsequenzen gar nicht
wirksam werden konnte. Über alle Verschiedenheit und Rangunterschiede hinweg ist der
synthetische Charakter der Kunst im 17. Jahrhundert evident. Die Gegenstände und Kontraste
werden mit großer Deutlichkeit erfaßt, sie sollen nicht nivelliert, sondern bekräftigt werden; nicht
Harmonisierung ist der letzte Sinn, sondern Bewältigung in einer Gestalt, in der die Elemente
gegenwärtig bleiben und aufgehoben sind. Das erste Beispiel einer überzeugenden Verwirklichung
einer solchen Synthese bot die römische Barockkunst am Beginn des Jahrhunderts. Hier war nun mit
einem Schlage vereint, was bis dahin als unüberbrückbarer Gegensatz und Kraft, aber auch die große
in sich beschlossene « klassische » Konfiguration, nicht mehr die Unruhe der manieristischen
Kompositionen, die von einem zu anderen lockten, ohne Anfang und Ende zu besitzen. Der Wert des
Klassischen war darin aufgehoben, und doch kam diese Kunst mit einer neuen Natürlichkeit entgegen
und reizte die Phantasie dazu, Bild, Bildwerk und Bauwerk aktiv aufzufassen, auszulegen. So erklärt
es sich, daß die römische Barockkunst eine einzigartige und hervorragende Stellung im 17.
Jahrhundert einnimmt. An ihr mußte sich jede ernsthafte und kraftvolle künstlerische Bestrebung
messen, und zu ihr geriet sie auch dann in ein wesentliches Verhältnis, wenn sie mit der erklärten
Absicht eines Widerspruchs auftrat - Nicolas Poussin und Rembrandt sind Beispiele dafür. Und aus
demselben Grund konnte dieser Stil, der einzige, den das 17. Jahrhundert hervorbrachte, auch über
die nationalen und lokalen Grenzen hinauswirken, und zwar nicht als ein Geschmacksmuster,
sondern als ein künstlerisches und geistiges Leitbild, wie es Rubens bezeugt. Noch im späten
Jahrhundert war der römische Barock eben wegen seines inhärenten synthetischen Charakters
lebendig genug, um diesseits der Alpen ganz verschiedene Erscheinungen zu veranlassen, in
Frankreich, England und Holland ebenso wie in Österreich, Böhmen und Süddeutschland. Solche
Wirkungen sind nicht einfach unter dem Begriff einer « Ausbreitung » des Barocks richtig zu
erfassen: Nicht alle Kunst im 17. Jahrhundert ist barock, aber der Barockstil ist die tragende
Grundstimme, der « cantus firmus » (H. Hatzfeld) im vielstimmigen Konzert der Kunst jener Zeit. »
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