Zeichnungen von Schiffen und Booten ergänzt, von denen einige wertvollster Besitz der
niederländischen Marine oder ihrer gelegentlichen Feinde waren (meistens die Engländer; siehe die
Einleitung zu London 1982). Der Großteil der Bilder Willems des Älteren sind Grisailles, das heißt
Tafeln in mehreren Abtönungen einer einzigen Farbe, vor deren Hintergrund die Schiffe und andere
Details mithilfe einer feinen Feder genau aufgezeichnet wurden. Die konventionellen Staffeleibilder
blieben meist Willem dem Jüngeren überlassen, der sowohl seinem Vater zuarbeitete als auch eigene
Bilder malte.
Die Gemälde von Willem dem Jüngeren, wie die Schiffe vor der Küste, sind das Werk eines
Künstlers mit anderen Talenten als denen seines Vaters. Er war ein meisterhafter und sehr
produktiver Zeichner, vor allem aber ein Maler der neuen Generation, zu der auch Jacob van
Ruysdael und Johannes Vermeer zählten (der Unterschied im Stil der beiden van de Veldes ist in
etwa vergleichbar mit dem der Architekturmaler Pieter Saenredam und Emanuel de Witte). Die
Komposition seiner Bilder und der Umgang mit den feinen Lichtstimmungen zeugen von einem
hervorragenden Sinn für das Wesentliche eines Bildes. Durch Glanzlichter, Silhouetten und ein
unaufdringliches Schema von vertikalen und horizontalen Elementen gelang es ihm im vorliegenden
Bild, trotz der allgemeinen Geschäftigkeit nahe des Ufers einen Eindruck der Gelassenheit zu
vermitteln.
Die zentrale Figur spielt eine bedeutende Rolle in diesem Zusammenhang. Sie lenkt den Blick über
das Wasser zu den Booten in der Ferne und dem Horizont hin. Man könnte den Mann mit der Stange
mit einem der Schäfer von Claude Lorrain vergleichen und andeuten, daß van de Velde, wie Claude
Lorrain, das Ewige der Natur festhalten will, indem er ihren Elementen, hier dem Meer und dem
Himmel, seine ganze Aufmerksamkeit widmet. Weitere Vergleiche mit Claude Lorrain sind jedoch
unangebracht, was van de Veldes unterschiedliches Naturerleben unterstreicht.
Van de Veldes poetische Qualitäten sind von niemandem inspiriert, aber sein Sinn für die
Schönheiten des Meeres und seine Beherrschung entsprechender Ausdrucksmittel wurden von dem
älteren Maler Simon de Vlieger (ca. 1600-1653), bei dem er wahrscheinlich gegen 1650 studierte,
gefördert. Vliegers Bilder von Schiffen, die auf ruhigen Meeren liegen, manchmal mit einem
schmalen Streifen Strand im Vordergrund (Stechow 1966, S. 104), beeinflußten nicht nur Willem,
sondern auch seinen Bruder Adriaen und den autodidaktischen Amsterdamer Künstler Jan van de
Cappelle (1624/26-1679). Diese friedlichen Meeresansichten liefern ein Gegengewicht zu den
stürmischen Seen von van Ruysdael, Allart van Everdingen und Ludolf Bakhuizen und ergänzen die
ruhige, behagliche Häuslichkeit von Künstlern wie Gabriel Metsu und Pieter de Hooch. Für die van
de Veldes war das Jahr, dessen Datum das hier beschriebene Gemälde trägt, das letzte, in dem ein
solch friedliches Leben in den Niederlanden möglich war.
Das Bild wurde von Fürst Johannes II. von Liechtenstein im Jahre 1881 erworben.
Walter Liedtke
LITERATUR: Bode 1894a, S. 94; Hofstede de Groot 1908-1927, Bd. 7, S. 98, Nr. 372; Willis 1911, S. 88; Kat. 1931
Nr. 918: Luzern 1948, Nr. 188; Baumstark 1980, Nr. 96.