Es gibt auch Familienleben im Lager
Die Zahl der Internierten schmilzt ständig. Nicht nur in die Sowjetuni-
on, sondern auch in andere Länder und Gebiete, vorwiegend in die nahe
französische Besatzungszone, sind bereits zahlreiche Ausreisen erfolgt.
Schließlich beträgt die Zahl der Internierten in Liechtenstein 146. Das
neue Jahr 1946 bringt den Internierten nur Ungewißheit; schwierig ist
auch die Unterbringungsfrage geworden. Das Interesse der Öffentlich-
keit ist zugunsten der Bewältigung eigener Probleme geringer gewor-
den. Das wirkt sich dank guter Organisaiton zwar nicht nachteilig auf
die Versorgung der Internierten aus, aber sie sind mehr auf sich allein
gestellt als früher. In der Bevölkerung geht man daran, die Wirtschaft
wieder anzukurbeln; politisch beginnt man, sich mit jenen Liechtenstei-
nern auseinanderzusetzen, die sich als Freiwillige zur Deutschen Wehr-
macht gemeldet und am Krieg teilgenommen hatten. (Einige von ihnen
waren auch am sogenannten Rußland-Feldzug beteiligt oder hatten in
den Reihen der Waffen-SS im Fronteinsatz gestanden.) Da die Zahl der
Internierten also nun kleiner und ihre Unterbringung schwieriger
geworden ist, beschließt die Regierung, die Lager Gamprin und Ruggel]
aufzuheben und die Internierten in ein Sammellager in Schaan zu brin-
gen. Daß das Leben auch im Lager weitergeht, verdeutlicht die Tatsa-
che, daß dort inzwischen fünf Kinder geboren worden sind, von denen
übrigens vier russisch-orthodox getauft wurden und eines mohammeda-
nisch benannt wurde. Taufen, Trauungen — auch die gab es — hatte ein
jeweils aus der Schweiz angereister russischer Priester vorgenommen.
Inzwischen bemüht sich der General weiter intensiv um eine neue Hei-
mat für die ihm anvertrauten Männer, die ihm vertrauensvoll durch dick
und dünn gefolgt waren. Interessant sind die Spekulationen über ihr
Schicksal, die die Internierten selber anstellen: einerseits haben sie
gemerkt, daß sich die Regierung in Vaduz zusammen mit dem Fürsten
und mit dem Rückhalt seiner Unterstützung nicht von Moskau ein-
schüchtern ließ, andererseits erfahren sie durch ihre Kontakte zur
Bevölkerung und durch Zeitungsmeldungen, daß immer noch ausgelie-
fert wird in Europa. Aber viele Staaten sind es nicht, die antikommuni-
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