Entstehung des EWR-Projekts
formell voneinender getrennte Rechtsordnungen (sog. dedoublement des ordres
juridiques et institutionnels paralleiles). Der EWR unterscheidet sich nach dieser
Auffassung von einem bilateralen völkerrechtlichen Abkommen nicht hinsichtlich der
vertragsrechtlichen Grundlagen, sondern mit Bezug auf die Masse des zu harmonisie-
renden Rechts, die Globalität der wirtschaftsrechtlichen Substanz °. Folgt man
diesem Approach, so entwickelt sich das Recht in EWR und EG autonom. Alle
Beteiligten haben ein Initiativrecht. Da aber eine Übereinstimmung des EWR-Rechts
mit dem EG-Recht anzustreben ist, sind die Parteien gehalten, die Weiterentwicklung
der parallelen Rechtsordnungen zeitlich und sachlich abzustimmen. Dabei kommt den
Bemühungen um Konsensfindung nach Treu und Glauben ein besonderer Stellenwert
Zu.
Die EG-Kommission liess sich demgegenüber vom Grundsatz leiten, die Ent-
scheidungsautonomie der Gemeinschaft dürfe nicht beeinträchtigt werden. Sie legte
deswegen ein Modell vor, bei dem die EFTA am "decision shaping”, nicht aber am
"decision making" beteiligt war. Die Position der Kommission entsprach den
“Interlakenbedingungen". Sie war aber auch durch die Haltung des Europäischen
Parlaments geprägt, das befürchtete, bei einem Zugeständnis in der Mitentscheidungs-
frage noch mehr an den Rand gedrängt zu werden °_Die Haltung der Gemeinschaft
entsprach ihrem theoretischen Ansatz. Danach schafft der EWR nicht eine dem EG-
Recht übergeordnete Rechtsordnung, sondern bedeutet eine völkerrechtliche
Ausdehnung des EG-internen Rechts. Mitbestimmung kann nur erhalten, wer der
Gemeinschaft beitritt.
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Vgl. dazu Spinner, 410 f.; Thürer, Auf dem Wege zu einem Europäischen
Wirtschaftsraum?. 94 ff.: Krafft, NZZ Nr. 251 v. 29. 10. 1990, 17.
Vgl. NZZ Nr. 257 v. 4./5. 11. 1989, 33; Nr. 273 v. 23. 11. 1989, 35; Nr. 296 v.
20. 12. 1989, 31; Nr. 296 v. 20. 12. 1989, 31.