Entstehung des EWR-Projekts
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sich bei einer Umfrage der Wochenzeitschrift "L’Hebdo" im November 1986 54,6 %
der Romands für einen EG-Beitritt ausgesprochen hatten, mit genau denselben
Argumenten verworfen wie 1950 bzw. 1957.
Auch als sich ab 1987 in Österreich und in den skandinavischen Staaten die Stimmen
für einen EG-Beitritt mehrten, änderte sich an der Haltung der offiziellen Schweiz
nichts. Bern kaprizierte sich vielmehr darauf, den EFTA-Partnern solche Gelüste unter
Berufung auf die Richtigkeit des bilateralen Weges auszureden. Diese Bremserrolle
hat bei manchen (ehemaligen) EFTA-Staaten zu Verstimmungen geführt, die bis auf
den heutigen Tag nicht ganz ausgeräumt sind.
Es ist ein Charakteristikum der damaligen helvetischen Europadiplomatie, dass sie -
jedenfalls offiziell - nur die Töne aus Brüssel zur Kenntnis nahm, welche die eigene
Position zu stützen schienen. Alles andere wurde verdrängt ©. Diese selektive
Wahrnehmung wird besonders deutlich am Beispiel der Äusserungen des für Aus-
senbeziehungen der Gemeinschaft zuständigen Kommissars de Clercq am Jahres-
treffen der EFTA-Minister mit der Kommission am 20. Mai 1987 in Interlaken. Bei dem
Anlass wurden zunächst die beiden Vereinbarungen betreffend die Einführung eines
einheitlichen Verzollungsdokuments und ein gemeinsames Verfahren für Transitgüter
unterzeichnet. Es handelte sich um die ersten Abkommen, welche (im Rahmen des
Luxemburger Programms) zwischen der Gemeinschaft und der EFTA als Gruppe
abgeschlossen wurden *“. De Clercq nannte sodann drei Prinzipien bezüglich der
Grundvoraussetzungen für eine engere Zusammenarbeit von EG und EFTA aus der
Sicht der Kommission: (1) Priorität für die interne Integration der Gemeinschaft (d.h.
Vollendung des Binnenmarktes), (2) Wahrung der Entscheidungsautonomie der
Gemeinschaft und (3) Notwendigkeit, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Vorteilen
und Pflichten zu erreichen. Diese "Interlakenbedingungen" machten jedoch in Bern
nn
Die gleiche Beobachtung lässt sich im Zusammenhang mit der Mitbestim-
mungsfrage bei den EWR-Verhandlungen machen. Vgl. unten, 2. Kap. Ill. 3.
EG-Bulletin 5-1987, Ziff. 2.1.53 und 2.1.54.