Schlüsselfragen des EWR
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Das EWR-Abkommen räumt dem Fürstentum damit mehr Rechte ein als der
Zollvertrag mit der Schweiz.
2. Alternative Nachvollzug der EU-Gesetzgebung
Dass die Alternative zum EWR nicht in der Erhaltung der Souveränität besteht, zeigt
das Beispiel der Schweiz. Dort werden neue Erlasse auf Bundesebene, welche einen
Bezug zum EU-Recht aufweisen, seit Mai 1988 auf ihre Europaverträglichkeit hin
untersucht. Der Bundesrat hat die Bundeskanzlei u.a. angewiesen, in allen Vorlagen
mit Bezug zum EU-Recht darüber zu informieren, ob eine EU-Regelung gilt oder in
Ausarbeitung steht, ggf. die Grundzüge der geltenden oder in Ausarbeitung stehenden
Regelung darzutun und Bericht darüber zu erstatten, ob und wie weit die vor-
geschlagene Regelung mit der europäischen kompatibel ist. Ähnliche Erlasse haben
andere EFTA-Staaten statuiert. Was ihre Funktion anlangt, so war die Europaver-
träglichkeitsprüfung im Jahre 1988, jedenfalls nach offizieller Lesart, lediglich ein Mittel,
um im Rahmen des bilateralen Ansatzes ein grösstmögliches Mass an Parallelität zum
Ausbau des EU-Binnenmarktes zu erreichen. Man wollte Gleichwertigkeit herstellen
mit dem Ziel, die Voraussetzungen für die gegenseitige Anerkennung zu schaffen
257 | etztlich ging es dabei um die Abwehr von Diskriminierungen. Die Europaver-
träglichkeitsprüfung ist von 1988 bis 1994 wohl bei gegen 200 Gesetzesvorlagen
durchgeführt worden. Es versteht sich, dass die Gerichte bei der Auslegung rezipierten
Rechts nicht frei sind.
Nach dem EWR-Nein hat der Bundesrat erkannt, dass die Schweiz ihre Bestrebungen
zum Nachvollzug europäischen Rechts verstärkt und systematischer als in der
Vergangenheit fortsetzen muss. Entsprechend wurden 1993 27 Gesetze der alten
Eurolex unter dem (irreführenden) Namen Swisslex erneut verabschiedet. Beispiele
sind die Anpassung des Strassenverkehrsgesetzes an die Vorschriften der EU, welche
insbesondere eine Änderung bei den Massen und Gewichten der Fahrzeuge mit sich
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Bericht des Bundesrates über die Stellung der Schweiz im europäischen
Iintegrationsprozess vom 24. 8. 1988, BBlI. 1988 Ill, 249, 380.