Schlüsselfragen des EWR
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berücksichtigen". Bei diesen Nachverhandlungen sollten nach liechtensteinischer
Auffassung vor allem die Kleinheit des Landes und der hohe Anteil der ausländischen
Wohnbevölkerung ins Feld geführt werden. Bereits aufgrund des EWRA von 1992 war
Liechtenstein aufgrund dieser Regelung der einzige EWR-Staat mit einer Sonder-
stellung im Bereich der Personenfreizügigkeit.
2.3.
Schutzklause
Gemäss Art. 112 EWRA hat Liechtenstein das Recht, geeignete Massnahmen zu
treffen, wenn ernsthafte wirtschaftliche, gesellschaftliche oder ökologische Schwierig-
keiten sektoraler oder regionaler Natur auftreten und damit zu rechnen ist, dass sie
anhalten. Wenn durch eine Schutzmassnahme ein Ungleichgewicht zwischen den
Rechten und Pflichten aus dem EWRA entsteht, so kann jede andere Vertragspartei
angemessene Ausgleichsmassnahmen treffen (Art. 114 EWRA). Was die Tragweite
der Schutzklausel anlangt, so ist zunächst hervorzuheben, dass sie einseitig, d.h. ohne
Zustimmung der EFTA-Partner oder gar der EU angerufen werden kann. Das in Art.
113 EWRA normierte Verfahren, das dem Prozedere des Art. 27 FHA nachgebildet
ist ?, ändert daran nichts. Die Frage der Verhältnismässigkeit der Ausgleichsmass-
regeln kann dem paritätischen Schiedsgericht vorgelegt werden (Art. 111 Abs. 4
EWRA). Die Schutzklausel der Art. 112 ff. EWRA geht damit wesentlich über die des
Art. 226 EGV, welche Massnahmen während der Übergangszeit betraf, hinaus. Das
Fürstentum behielt sich in einer einseitigen Erklärung im Blick auf die besondere
geographische Lage des Landes das Recht vor, Schutzmassnahmen insbesondere
dann zu ergreifen, "wenn die Zahl der von diesen Staatsangehörigen insgesamt
besetzten Arbeitsplätze in der Wirtschaft im Vergleich zu den jeweiligen Zahlen für die
gebietsansässige Bevölkerung in aussergewöhnlichem Masse zunimmt".
Ob die Schutzklausel der Art. 112 ff. EWRA einen effektiven Schutz gewährleistet, ist
in der politischen Debatte umstritten. EWR-Skeptiker weisen auf die besondere
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Vgl. Botschaft des Bundesrates zur Genehmigung des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum vom 18. Mai 1992, 1/487.