Schlüsselfragen des EWR
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& Dienstleistungsfreiheit
aa.
EWR- Rec: 14
Die Dienstleistungsfreiheit gibt zunächst das Recht, Dienstleistungen in anderen
Mitgliedstaaten unter den gleichen Bedingungen zu erbringen, die für Inländer gelten.
Zu diesem Zweck darf sich der dienstleistende Anwalt für eine begrenzte Dauer im
Ausland aufhalten (Bsp.: Der österreichische Anwalt begibt sich nach Liechtenstein,
um dort einen Klienten zu beraten). Zweitens ist das Recht des Kunden erfasst, die
Dienstleistung zu erhalten. Der Dienstleistungsempfänger darf also auch selbst die
Grenze überschreiten (Bsp.: Der österreichische Klient begibt sich in die Kanzlei des
liechtensteinischen Anwalts, um sich beraten zu lassen). Schliesslich können Dienst-
leistungen selbst über die Grenze geschickt werden.
Die Dienstleistungsfreiheit wird heute als allgemeines Beschränkungsverbot
verstanden '*. Zulässig sind Beschränkungen, "die sich aus der Anwendung durch
das Allgemeininteresse gerechtfertigter Berufsregelungen - namentlich der Vorschriften
über Organisation, Befähigung, Kontrolle, Verantwortlichkeit und Haftung - ergeben
und die für alle im Gebiet des Staates, in dem die Leistung erbracht wird, ansässigen
Personen verbindlich sind" ** Ein Kanzleigebot ist deshalb auch im Bereich der
Parteivertretung unzulässig '*. Wollte man anders entscheiden, so wäre die Freiheit,
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AF
4.
Vgl. EuGH Sig. 1974, 1299 ff. - van Binsbergen; 1975, 1574 ff. - Coenen; 1980,
333 ff. - Debauve; auch Roth, 356 f. - Nach dem Urteil van Binsbergen darf die
vorübergehende Tätigkeit auch nicht mit dem Argument verwehrt werden, ein
Rechtsanwalt besitzte keinen inländischen Wohnsitz.
Slg. 1974, 1299, 1309 - van Binsbergen.
Differenzierte Ausführungen des EuGH in van Binsbergen, a.a.0. - Nach dem
Jrteil Kommission ./. Bundesrepublik Deutschland umfasst die primärrechtliche
Dienstleistungsfreiheit auch eine Befreiung vom Lokalisationsgebot. Die
Dienstleistungsfreiheit gibt dem Ausländer m.a.W. das Recht, auf dem
gesamten Territorium des Aufnahmestaates tätig zu sein. Das führt zu einer
umgekehrten Diskriminierung. Vgl. NJW 1988, 887, 889.