Schlüsselfragen des EWR 72
Il. Industriestandort
1. Grundprobleme
Aus der Sicht der liechtensteinischen Industrie wird ein EWR-Beitritt praktisch
durchweg positiv bewertet '?
. Der freie Zugang zum Binnenmarkt spielt ins-
besondere für die reinen Exporteure, die in Liechtenstein zahlreich vertreten sind, eine
grosse Rolle. Über 40 % der liechtensteinischen Industrieexporte gehen bislang in die
EU, 20 % in die EFTA. Für viele Produkte besteht praktisch kein Heimmarkt ‘°*. Das
Zahlenverhältnis wird sich nach den EU-Beitritten Österreichs, Schwedens und
Finnlands noch stärker Richtung EU verschieben. Die reinen Exportunternehmen
wären bei einem EWR-Nein durch verbleibende Exporthemmnisse weitaus stärker
betroffen als international operierende Unternehmen. Die in Liechtenstein domizilierten
Unternehmen werden sich also im Falle eines EWR-Beitritts "auf mittlere Sicht im
Vergleich zu den in der Schweiz niedergelassenen mit Bezug auf den EG-Raum in
einer günstigeren Lage" befinden ‘°°. Auf der anderen Seite ist hervorzuheben, dass
nichttarifäre Hemmnisse auch für multinationale Gesellschaften von Bedeutung sind.
Zum einen produzieren solche Unternehmen in aller Regel nach wie vor im Inland.
Zum anderen sind Drittstaatsangehörige als Arbeitskräfte in den EU- bzw. EWR-
Staaten nicht mehr unbedingt erwünscht. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage im
Kanton St. Gallen hat ergeben, dass rund ein Drittel der grenzüberschreitend tätigen
103 Vgl. neben vielen anderen Stellungnahmen etwa Willi Frommelt in Schweizeri-
sche Gewerbezeitung Nr. 48 v. 1. 12. 1994, 3.
104 Thomas Büchel, Liechtensteiner Volksblatt vom 29. 10. 1994, 5.
105 Brauchlin, Auswirkungen für die Industrie-Standorte Schweiz und Liechtenstein,
80. - Eine Ausnahme gilt für die Textilindustrie. Die Regelungen über die
passive Textilveredelung sind nicht Gegenstand des EWR-Abkommens. Doch
hat die EU signalisiert, dass EWR-Staaten in diesem Punkt eher auf Verhand-
lungen hoffen kónnen als Drittstaaten.