Schlüsselfragen des EWR 70
5. KAPITEL SCHLÜSSELFRAGEN DES EWR AUS DER SICHT LIECHTENSTEINS
l. Vorbemerkungen
Bei der Frage, ob Liechtenstein dem EWR beitreten soll, spielen volkswirtschaftliche
Aspekte eine entscheidende Rolle. Aus wirtschaftlicher Sicht ist zunächst auf die
ókonomische Struktur des Landes hinzuweisen. Im Gegensatz zu anderen europái-
schen Kleinststaaten weist das Fürstentum keine monokulturelle, sondern eine
durchaus ausgewogene Wirtschaftsstruktur auf, die auf den drei Pfeilern Industrie,
Gewerbe und Finanzdienstleistungen ruht. Eine Antwort in der EWR-Frage kann nur
gesamthaft, d.h. mit Bezug auf alle Sektoren erfolgen ?. Die einzelnen Sparten
dürfen m.a.W. nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das hindert nicht, dass die
mutmasslichen Effekte eines EWR-Beitritts (und die Auswirkungen eines Abseits-
stehens) für jeden Wirtschaftssektor getrennt untersucht werden. Am Ende ist indes
ein Gesamturteil abzugeben. Dabei sind die Entscheidungsgrundlagen heute insofern
besser als im Jahre 1992, als zwischenzeitlich die Erfahrungen Ósterreichs auf der
einen und die der Schweiz auf der anderen Seite vorliegen.
Besonders wichtig sind dabei im Blick auf die bestehende und fortzusetzende
Zollunion naturgemáss die Erkenntnisse der Schweiz. Im einzelnen muss freilich
bezüglich Vergleichbarkeit der drei genannten Sektoren der liechtensteinischen
Wirtschaft unterschieden werden. Am ehesten erscheint eine Vergleichung im Bereich
der Industrie angezeigt zu sein. Insoweit stehen für beide Staaten - bei aller Ver-
schiedenheit der Gróssenverháltnisse - die Probleme des Exports im Vordergrund.
Gleiches gilt, wenn auch in verminderter Form für das Gewerbe. Eine gewisse
Interessengleichrichtung ist hier aber auch bezüglich der Ängste vor Auslandskon-
kurrenz gegeben. Erhebliche Unterschiede bestehen hingegen bei den Finanzplátzen.
Liechtenstein hat keine eigene Wáhrung, keine eigene Notenbank und keine Bórse.
Es kann daher "nicht als Finanzplatz im klassischen Sinn bezeichnet werden. Der
s So zutreffend Schuster, Auswirkungen auf die Finanzplätze, 58.