Volltext: Bestandeskatalog

Pierre Bonnard (1867-1947) 
Le marchand des quatre-saisons, um 1897, ed. 1899, aus der Folge Quelques aspects de la vie de Paris 
Farblithographie 
ca. 29 X ca. 34 cm 
40, 5 X 53 cm 
Bez. u. r.: Bonnard 
Bouvet 65; Roger-Marx 65 
LSK 77.03 
Das Blatt stammt aus einer Suite von 12 Blättern und der Titel- 
seite, die 1899 von Vollard in Paris publiziert und von Bonnard 
Quelques aspects de la vie de Paris benannt wurde.' Die Serie 
wurde aber vor 1899 begonnen, denn Andre Mellerio schreibt 
1898 in seiner Publikation La lithographie en couleurs: «A 
l’heure presente, l’actif Vollard, sans compter deux publications 
en noir d’Odilon Redon et de Fantin-Latour, prepare quatre 
series chacune de douze estampes, par Bonnard, Vuillard, Denis 
et Roussel.»* Die Datierung um 1897, die wir hier vorschlagen, 
darf als annehmbar gelten, da Bonnard etwa drei Jahre mit den 
Arbeiten für Quelques aspects de la vie de Paris beschäftigt 
war.? Der Auftrag selbst geht bereits auf das Jahr 1895 zurück. 
Das Album Vollard ist die Krönung von Bonnards Tätigkeit als 
Druckgraphiker. «Mit der Farblithographie habe ich viel für die 
Malerei gelernt. Wenn man die Beziehungen der Farbtöne unter- 
einander studieren muss, indem man nur mit vier bis fünf Farben 
arbeitet, die übereinander oder nebeneinander gedruckt werden, 
entdeckt man allerhand», hat er sich selbst dazu geäussert.* Bon- 
nard überwachte, wie Francois Fossier mitteilt,” die Druckvor- 
gänge sorgfältig. Er variierte die Abzüge durch Übereinander- 
drucken der Farben und änderte deren Anordnung mit Farbstift, 
Tusche oder Pastell auf den in einer oder zwei Farben gedruckten 
Blättern. Seit Haussmann begonnen hatte, Paris grosszügig um- 
zubauen, waren Ansichten der Stadt en vogue. Eine Flut von Re- 
produktionen trug die Ansichten in alle Welt. In den neunziger 
Jahren erschienen zahlreiche bebilderte Publikationen. Erinnern 
wir hier nur an einige: Coins de Paris von Maximilian Luce, 
1890; Paysages parisiens von Auguste Lepaire, 1892; Paris in- 
fense von Felix Vallotton, 1894, und die Chansons de Montmar- 
tre von Th. A. Steinlen, 1898.° 1899 stellte Vollard Quelques as- 
pects de la vie de Paris in seiner Galerie aus. Bonnard hatte in 
seiner lithographischen Folge die prickelnde Atmosphäre von 
Paris, dessen spezifische urbane Situation, wohl von allen 
Künstlern am interessantesten umgesetzt. 
Motivisch ist die Serie in Bonnards Malerei verankert. Er bringt 
das tägliche Leben der Stadt auf eine sehr intime Weise in seine 
Arbeit ein. Strassenszenen versuchen, Ausschnitte der Wirklich- 
keit einzufangen. Er hebt Details hervor und setzt wirkungsvoll 
Akzente, wie etwa auf unserem Blatt den Gemüsehändler mit 
seiner Karre. Ein Augenblick wird festgehalten: der davonsprin- 
gende Hund. Man sollte nicht vergessen, dass der Maler ein lei- 
denschaftlicher Photograph war und Paris mit der Kamera 
durchstreifte. Gerade die Folge dieser Strassenszenen mit Kut- 
schen, Pferden, Menschen, Häusern, Luftansichten von Strassen 
hat in ihrer Spontaneität Bezüge zum Auge der Kamera. 
Bonnards Drucke und Illustrationen sind gleichwertig mit seiner 
Malerei zu sehen. Er schuf sie sein ganzes Leben lang. 1889 
hatte er seinen ersten Auftrag von France Champagne für ein 
Plakat erhalten. Mit einem Meisterwerk der Druckgraphik be- 
simt er die Arbeit im neuen Medium. Er illustriert mehrere 
Bücher im Auftrage Vollards. Mit den Lithographien zu Paul 
Verlaines Parallelement (1900) leitet Bonnard das eigentliche 
Livre de peintre, das von Malern gestaltete Buch, ein. Vollard 
wird im Laufe der Jahre 20 Luxusausgaben von verschiedenen 
Malern herausgeben-Unter ihnen nahmen die Farblithographien 
Bonnards zur Pastorale Daphnis und Chloe von Longus in einer 
Edition des Jahres 1902 stets einen besonderen Platz ein. Er war 
der Meister der Farblithographie seiner Zeit, E.B. 
Bouvet, Francis: Bonnard. L’osuvre grave. Catalogue complet. Paris, 1981, S. 90 
Denach Bouvet, wie Anm, 1, S.76. 
Zolta, Ives; Giambruni, Helen u.a.: Pierre Bonnard. The Graphic Art. New York 
1989/90, S. 121. 
?reches-Thory, Claire; Perucchi-Petri, Ursula (Hrsg.): Die Nabis. Ausst.-Kat. 
<unsthaus Zürich. München, 1993, S. 438. 
Ebd., $.439. 
Wie Anm. 3, 5. 134.
	        

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