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Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901)
Le jockey, 1899
Farblithographie
50,7 X 36,2 cm
Bez. im Druck u. r.: HTL, (spiegelverkehrt): 1899
Adhémar 365; Adriani 356/II; Delteil 279; Wittrock 308/II
LSK 81.01
1897 hatte der von Kabarett und Theater faszinierte Toulouse-
Lautrec in einer Reihe von druckgraphischen Blättern seine Zu-
neigung zur Tierwelt zu erkennen gegeben. Mit der Partie de
Campagne — eine Droschkenfahrt mit Pferd und Hund — und den
Illustrationen zu den Histoires naturelles von Jules Renard ver-
rät er, der doch ein Maler der Pariser Gesellschaft und des Pari-
ser Lebens war, sein Interesse an der Natur.
Das berühmte Blatt der Partie de Campagne ist umrahmt von
drei weiteren Droschkenfahrten, in denen die Schnelligkeit der
Tiere in den Strich der Zeichnung eingegangen ist. Für die
Histoires naturelles besuchte Toulouse-Lautrec den Jardin des
Plantes und den Jardin d’Acclimatation in Paris. Um eine Dar-
stellung wie im vorliegenden Blatt realistisch in den Griff zu
bekommen, besuchte er die Pferderennen im Bois de Boulogne.
Vorgesehen war eine ganze Serie von Pferdedarstellungen, die
unter dem Titel Courses auf Initiative des Verlegers M. Pierre
Bort herausgegeben werden sollte. Es wurde nur ein Blatt in
einer Auflage von 112 Abzügen in den Farben Grün, Braunrot,
Beige, Karminrot und Blau ediert.' Eine Lithographie ist mit ÓI-
farbe übermalt.? Toulouse-Lautrec bescháftigte in diesem Blatt
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die dynamische Bewegung des Pferdes. Degas hatte sich für
seine Pferdedarstellungen an den Bewegungsphotographien von
Edward Muybridge inspiriert. Toulouse-Lautrec hingegen such-
te die Bewegung realiter zu erkennen — was in der Tat nicht móg-
lich ist. Es brauchte die Photographie, um die Bewegungsphasen
festzuhalten. Toulouse-Lautrec aber gelingt eine Darstellung,
die Kraft und Schnelligkeit suggeriert. Die Pferde scheinen den
Boden nicht mehr zu berühren. Durch die Verkürzung der ga-
loppierenden Pferde bringt er Tiefe und Weite in die Komposition.
Das Blatt figuriert auch unter dem Titel Probegalopp, weil kein
Publikum dem Rennen beiwohnt.? Aber um das Publikum ging
es dem ansonsten von Menschen faszinierten Toulouse-Lautrec
hier nicht. Er war besessen von der Dynamik der Bewegung, die
er in dieser Form tatsáchlich nur einmal anvisierte. Das wahr-
scheinlich für die gleiche Edition geplante Blatt Jockey, vom
Trainer geführt, von dem mehrere Zustánde bekannt sind,* kon-
zentriert das Interesse wieder mehr auf die Figuren, ähnlich wie
bei den Redouten im Moulin Rouge. In dieser Hinsicht bean-
sprucht das vorliegende Blatt Einzigartigkeit. EB
' Adriani, Gótz: Toulouse-Lautrec. Das gesamte graphische Werk. Kóln, 1976, S. 236.
? Castleman, Riva; Wittrock, Wolfgang: Henri de Toulouse-Lautrec. Ausst.-Kat.
The Museum of Modern Art, New York, 1985, S.218.
? Toulouse-Lautrec und seine Welt. Hrsg. Werner Hofmann. Ausst.-Kat. Hamburger
Kunsthalle. Hamburg, 1985/86, S. 140.
* Henri de Toulouse-Lautrec. Ausst.-Kat. Festveranstaltung, Ingelheim a. Rhein, 1968,
Nrn. 166—169.— —