Das Kunsthausprojekt liegt nun unter den Trümmern
ausgefochtener Prozesse. Was die liechtensteinische
Gesellschaft während Jahren bewegt hatte, wurde zum
Unthema. Man wagt kaum, davon zu sprechen. Die
Regierung Brunhart versuchte, in ihrer Interpellations-
beantwortung vom 24. April 1990 im Landtag den Stand
der Dinge zu erklären und die Positionen der Regierung
darzustellen. Es werde die Planung eines neuen Kunst-
nauses an die Hand genommen. Die Vorstellungen des
Leihgebers und der Regierung aber gingen in ganz
wesentlichen Belangen weit auseinander. Das fürstliche
Angebot aus den Jahren 1969 und 1979 war hinfällig
geworden.” Es erfolgte in der Bürgerschaft ein Rückzug
nit dem Tross von Verwundeten und Enttäuschten weit
ainter die Ausgangspositionen von 1969 mit der akten-
kundigen Bescheinigung, etwa vier Millionen Franken
für Planung ausgegeben zu haben und fünf Millionen
Franken Spendengelder für ein liechtensteinisches Exo-
tarium vergebens pfleglich zu hüten: Ein Kunsthaus auf
dem Land ist schon nicht gewöhnlich.
Den Statuten verpflichtet, sucht die Liechtensteinische
Kunstgesellschaft vor allem in den Jahresversammlun-
gen, das Kunsthaus zu thematisieren.” Die weitverbreite-
te Lethargie, Ermüdung und Enttäuschung belasten jeden
Vorstoss, und verbaler Optimismus wirkt wie eine rituel-
je, ungeglaubte Formel. Ein realistisches, durchdachtes
Konzept existiert nicht. Im Jahre 1992 stellte der damali-
ge Regierungschef-Stellvertreter und Kulturminister die
Situation so dar: Es sei festzuhalten, «dass es die ur-
sprüngliche Idee eines Kunsthauses, eines Projektes, bei
dem Fürst und Volk auf ihre Art gleichwertig beteiligt
sind, indem der Fürst seine Sammlung leiht und das Land
für diese Fürstliche Sammlung ein Kunsthaus baut, nicht
mehr gibt.» Es müssten in allen Belangen klare Abma-
chungen getroffen werden; einen erneuten Fehler könne
sich niemand leisten. Volk und Fürst bildeten zusammen
den Staat. Und dann weiter: «Es ist nicht nur nach innen,
sondern auch nach aussen wichtig, die kulturelle geistige
Dimension des Staates Liechtenstein, die aufs engste mit
dem Fürstenhaus verbunden ist, zu zeigen. Sie hat diesen
Staat wesentlich geprägt und gibt ihm Halt [...].»” Der
Staat selbst wird gut beraten sein, wenn er über die kom-
menden Jahrzehnte an seiner eigenen Sammlung weiter-
arbeitet. Dann könnte eine vertane partnerschaftliche
Vergangenheit vielleicht Zukunft werden.
Die Liechtensteinische Staatliche Kunstsammlung ver-
suchte, ungeachtet aller Unbill, die im Zusammenhang
nit dem Desaster beim Versuch, das Kunsthaus Vaduz zu
:ealisieren, entstanden war, nachhaltig auf die Kultur-
„olitik des Kleinstaates einzuwirken. Mit den jährlichen
Krediten des Landes und den Zuwendungen Privater
wurde eine konsequente Ankaufspolitik verfolgt. Die Be-
stände in den Depots sind über den Mundvorrat für über-
morgen hinaus angewachsen, nicht zuletzt auch durch die
Entgegennahme von Dauerleihgaben und Schenkungen.
In diesem Zusammenhang sei die Dauerleihgabe mit
Werken aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts er-
wähnt, welche Parvati und Per Sandven, Oslo, in die
Staatliche Kunstsammlung einbrachten.” Auch die gross-
zügige Schenkung von Gerda Techow, Vaduz, im Jahre
‘988 verdient hier eigens hervorgehoben zu werden. Es
aandelt sich um zwei exzellente Gemälde von Ernst
Ludwig Kirchner (1880-1938). Ebenso sind die Schen-
kungen der noch unbearbeiteten Werknachlasse von zwei
<ünstlerinnen aus Zürich, Maria Christine Gradmann
‘geb. Schlepitzka, 1909-1987), und Lotty Loetscher (eigtl.
Charlotte Hildebrand, geb. Wechlin-Tissot, 1900-1991), in
diesem Zusammenhang zu nennen.“
Mit dem Bestandeskatalog ist das gegenwärtig vorhande-
ne Kunstgut der Liechtensteinischen Staatlichen Kunst-
sammlung aufgelistet und benannt. Es könnte von grös-
serer Bedeutung sein, als es ist. Im Kleinstaat sind die
Grenzen überall bald erreicht. Nur zu oft wird dann Un-
vermögen mit Bescheidenheit verwechselt. «Man hat ein
Licht und lässt es Schatten werfen» (Robert Musil).
Kin Wort des Dankes
Am Zustandekommen des Katalogs haben viele mitge-
wirkt. Der Landtag und die Fürstliche Regierung stellten