Volltext: Bestandeskatalog

Jannis Kounellis (*1936) 
Senza titolo, 1991 
bh 
Kohle, mit Draht auf Stahlplatten befestigt 
200 X 180 cm (zwei Platten ä 200 X 90 cm) 
LSK 92.36 
Jannis Kounellis, der aus Griechenland stammende Römer. 
debütierte 1967 in Genua mit einer locker verbundenen Ausstel- 
lungsgemeinschaft, die nicht nur bescheidene und kunstferne 
Materialien mit künstlerischer Bedeutung erfüllen, sondern 
auch die Unterscheidung von Kunst und Leben aufheben wollte. 
Wegen der Schlichtheit der Materialien prägte der italienische 
Kunstkritiker Germano Celant anlässlich dieser Ausstellung den 
Begriff «Arte povera». Im Winter 1967/68 erweiterte Kounellis 
das Medium der Malerei durch das Arbeiten mit Objekten aus 
Eisen und Kohle, die seither in variabler Gestalt das Schaffen 
des weltweit aktiven Künstlers begleiten.‘ Beide Stoffe nehmen 
in seiner Imagination konträre Positionen ein. auf die noch 
zurückzukommen ist, 
Das Relief der Liechtensteinischen Staatlichen Kunstsammlung 
hat keinen Titel, der seine Bedeutung erhellen könnte. Es ist 
[991 entstanden und besteht aus zwei hochrechteckigen, bündig 
nebeneinander montierten Stahlplatten, auf denen jeweils drei- 
zehn waagrechte Reihen von etwa gleichgrossen Kohlestücken 
mit dünnen Drähten befestigt sind. Die mit Kohlebrocken regel- 
mässig bedeckten Stahlplatten unterscheiden sich in einer Hin- 
sicht: Die rechte Platte trägt jeweils sieben Brocken pro Reihe. 
die linke hingegen acht. Ob in diesen Quantitäten Zahlensymbo- 
lik zum Ausdruck kommt, muss dahingestellt bleiben. Hingegen 
ist das Bestreben des Künstlers, Ordnungen zu schaffen, offen- 
sichtlich. Das geht auch aus den generellen Beschreibungen ein- 
schlägiger Arbeiten Kounellis’ in den achtziger Jahren hervor.’ 
In den zahlreichen Gesprächen, die er mit Kritikern geführt hat. 
wurden Assoziationsmöglichkeiten immer wieder berührt. Um 
ein Beispiel zu zitieren: die Kälte des industriell erzeugten Ma- 
terials Eisenblech auf der einen Seite, auf der anderen die Vor- 
stellung von der Wärme des Heizmaterials Kohle, die von Kou- 
nellis in der «Beziehung zwischen Struktur und Sinnlichkeit» 
als Konstante seiner Arbeit verallgemeinert worden ist.” Das 
Thema Eisen und Kohle bestimmte auch das Gespräch, das 
Kounellis im Januar 1989 mit Franco Fanelli führte: «Eisen und 
Kohle stellen für mich Materialien dar, die am besten die Weli 
der industriellen Revolution und damit die Ursprünge der heuti- 
gen Kunst widerspiegeln.»* Als ihm Fanelli entgegenhielt, er er- 
wähne in seinen Kommentaren zu Installationen aus Eisen und 
Kohle immer öfter das Wort «schön», lautete die Antwort des 
Künstlers: «Ich schaffe keine Kunstwerke, damit sie hässlich 
sind, so weit geht mein Masochismus nicht. Meine Installatio- 
nen sind weder schön noch hässlich. [...] Meiner Meinung nach 
muss man die Dinge unter einem anderen Gesichtspunkt sehen. 
[ch benütze zwar in der Tat Stahlplatten, die aber immer ein 
ganz besonderes Format haben, nämlich 2 X 1,80 Meter, was 
ungefähr dem Mass eines Doppelbetts entspricht. Das ist ein 
universelles Mass, wie die Höhe eines Tisches oder die Breite 
einer Tür; es handelt sich um Standardgrössen, und das Bett, der 
Tisch und die Tür haben ein auf den Menschen zugeschnittenes 
Mass. Meine Absicht ist es, mich innerhalb dieser Dimension zu 
bewegen.»5 ET 
Ruhrberg, Bettina: Arte povera. Geschichte, Theorie und Werke einer künstlerischen 
Bewegung in Italien. Bonn, 1992. S. 246 
3bd., S. 100. 
Kounellis, Jannis: Ein Magnet im Freien. Schriften und Gespräche 1966-1989 
Bern/Berlin, 1992, S. 199, 
Ebd., S. 228. 
Ehd.. S.228fF 
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