i
-— pe eh ON ETS DP TO 0 oh Ooh he OA NED hd dk
N
=
Kurt Sigrist (+1943)
Phantheatron, 1992/93
Corten-Stahl
195 x 190 X 195 cm
LSK 93.18
Eine schlichte «Kiste», die Kurt Sigrist im Jahre 1969 aus rohen,
grob zugeschnittenen Àsten und mit Polyesterspachtel zu einem
grossen kubischen Geháuse zusammenfügte, erweist sich, zu-
mindest retrospektiv, als Schlüsselwerk für weite Bereiche der
späteren Werkentwicklung. Im Definieren von Raum, von
Schranken und Leere, einem Draussen und Drinnen, im Hinstel-
len eines «Denkmodells», das bereit ist zur Aufnahme von «In-
halt», sind formale und ikonologische Phänomene formuliert,
die das gesamte Schaffen Sigrists weitgehend prägen.' Auch die
begehbare Skulptur Phantheatron? von 1992/93 formuliert die
grundlegende bildhauerische Fragestellung von Masse und
Raum, von Fülle und Leere. Durch die Monumentalitát und die
prázis austarierte Aufstellung in einem Park nimmt das Werk
eine ähnliche Sonderstellung zwischen den freien Arbeiten und
solchen für den öffentlichen Raum (wo Sigrist viele Projekte
realisieren konnte) ein? wie es beim Zeitraum der Fall ist
— einer ebenfalls begehbaren Skulptur, die durch die Paradoxität
von Haus und Karren, von Immobilitát und Plazierung an der
Nationalstrasse N2 1m Kanton Uri seit 1981 einen grossen
Bekanntheitsgrad erreicht hat.
Bei der Skulptur der Liechtensteinischen Staatlichen Kunst-
sammlung übertragen sich das Gewicht und die Kraft der mách-
tigen, rostenden Eisenplatten unmittelbar auf das Empfinden
der Betrachter und Begeher. Der schwere Block ist auf zwei Sei-
ten durch einen vertikalen Eingang so geóffnet, dass ein Durch-
282
gang entsteht. Dieser Durchgang nimmt die beiden gegenüber-
liegenden Seiten des Kubus für sich in Anspruch, wührend die
zwei anderen mit geschlossenen Fronten aufsteigen. Die Auf-
sicht erschliesst indes Merkwürdiges? Plótzlich erkennt man
zwei exakt identische, allerdings um 90? gedrehte Konstella-
tionen. Nur: Während der «liegende» Raum als Durchgang
begehbar ist, bleibt der vertikal gerichtete Schacht allein dem
Schauen zugänglich, ohne dass der Blick bis auf den Boden
des Dunkels vordringen könnte. Zwei völlig identische Räume
werden durch ihre rechtwinklige Ausrichtung mit vollständig
anderen Vorzeichen versehen und miteinander verschränkt: Der
Durchgang schliesst im Hindurchschreiten die aktive Bewe-
gung, vor allem aber die Zeit ein — der Raum wird zum Zeit-
raum. Wir erleben einen Gang vom Licht ins Dunkel und wieder
ans Licht, wo die Landschaft im scharfen Ausschnitt aufscheint.
In unmittelbar spürbarer Nachbarschaft und allein getrennt
durch die eingezogene Wand, gemahnt der andere Raum als
unzugänglicher Schacht an eine Grabkammer, die in ihrer stati-
schen Gelagertheit Erde und Himmel verbindet. B.S.
Stutzer, Beat: Kurt Sigrist. Zürich, 1995; ders.: Eine Werkübersicht, Arbeiten von
1968 bis 1985. In: Kurt Sigrist. Ausst.-Kat. Galerie Severina Teucher. Zürich, 1985.
* Der Titel bezieht sich auf das übergeordnete Theater-Thema der Ausstellung
«Mise en scène», 5° Triennale de sculpture contemporaine, propriété de Szilassy,
Bex, für die die Skulptur geschaffen wurde. In der Tat weisen Sigrists neue Skulptu-
ren mit ihrem Blick auf Guckkastenbühnen oder im Inszenatorischen von Ein-
und Durchblicken, Auftritten und Abgängen theaterhafte Aspekte auf.
Stutzer, Beat: Orte und Zeichen, Werke im ôffentlichen Raum von 1970 bis 1984.
In: Orte und Zeichen. Ausst.-Kat. Altdorf, 1985.
Kurt Sigrist: Zeitraum. Eine Eisenplastik und ihr Umfeld. Hrsg. Danioth-Ring,
Kunst- und Kulturverein Uri. Altdorf, 1991.
Die Skulptur ist bewusst so plaziert, dass von einer leichten Anhôhe aus dieser
Blick von oben herab môglich ist.
a