Volltext: Bestandeskatalog

Joannis Avramidis (*1922) 
Torso, 1956 
CM 
Zn 
3 
Es 
Bronze 
151,5 X 35 X 26 cm 
Bez. auf der Plinthe vorne 1. (grav.): 
AVRAMIDIS 4/4 
Brusberg BK. 5026 
LSK 90.05 
Joannis Avramidis, der als Maler begann, beendete 1956 sein 
Bildhauerstudium an der Wiener Akademie bei Fritz Wotruba. 
Der 1956 datierte Grosse Torso, mit dem Avramidis an der 
XXXI. Biennale von Venedig international hervortrat,' darf als 
Nachweis seiner erfolgreich abgeschlossenen Lehrzeit gewertet 
werden. In der 1,52 Meter hohen und der Länge nach in zwei 
Hälften geteilten Figur lässt sich deutlich das Prinzip der Sym- 
metrie beobachten, das sich nach Worten des deutschen Philoso- 
phen J.G. Herder vornehmlich «am menschlichen Körper leicht 
und herrlich offenbaret.»* In der Ruhe, die der Stück für Stück 
gebaute 7orso ausstrahlt, zeigt sich ein archaischer, seit langem 
in Vergessenheit geratener Figurentypus als Gegensatz zum 
Kontrapost, der sich im Zusammenspiel von Bewegung und 
Ruhe, im chiastischen Rhythmus der Glieder untereinander, aus- 
drückt. Diese konträren Möglichkeiten des Statuarischen veran- 
schaulicht der Katalog zur Ausstellung «Agora» durch die Kon- 
Frontation zweier Frühwerke: eines asymmetrischen Zorso von 
1954 und des Grossen Torso von 1956. 
Die griechische Abstammung, die der Künstler hervorhebt, wird 
oft zitiert, um seine künstlerischen Voraussetzungen freizule- 
gen; sie führen vom Akademielehrer Fritz Wotruba zu Oskar 
Schlemmer und Fernand Leger, dann zurück zu den Vätern der 
Moderne, Constantin Brancusi und Paul C&zanne, um schliess- 
lich in grossen Sprüngen über die italienische Frührenaissance 
beim strengen Stil der griechischen Vorklassik anzukommen.* 
Die jüngere Forschung hat überdies auf die wichtige Rolle, die 
Hans von Marees für Wotruba und Avramidis gespielt hat, auf- 
merksam gemacht‘ und das Verhältnis von Lehrer und Schüler 
als gegenseitiges Geben und Nehmen gedeutet.® Dem entspricht 
das Selbstverständnis Avramidis’, der 1980 im Gespräch das 
Vorbild der Antike und des Piero della Francesca für sich gelten 
’ess, ansonsten aber verlautbarte: «Ich habe [...] für mein Werk 
das Vorbild der gegenwärtigen Künstler oder knapp davor seien- 
den nicht benötigt.»” 
Hilfreich ist auch der Schlüssel zum Verständnis seines Schaffens, 
den Avramidis anlässlich seiner Ausstellung in der Kestner- 
Gesellschaft, Hannover, bot: «Das ist mein Anliegen: in meiner 
Arbeit alles offen darzulegen. Die Formel preiszugeben. Damit 
auch andere sie verwenden. Vorzüge wie Mängel lesen, prüfen. 
Die Formel: zur Herstellung eines menschlichen Werks. Die 
Natur ist nur der Lieferant der Daten.»* E.T. 
Austria. Ausst.-Kat. XXXI. Biennale di Venezia, 1962, Nr. 1 mit Abb. — Joannis 
Avramidis. Ausst.-Kat. Kestner-Gesellschaft, Hannover, 1967, Nr. 6, Abb. S. 46. 
Herder, Johann Gottfried: Plastik (1768—70). In: Matthias, Theodor (Hrsg.): Herders 
Werke. Leipzig, 1903, Bd. 3, S. 144. 
Joannis Avramidis. Agora, Skulpturen und Zeichnungen 1953-1988, Ausst.-Kat 
Galerie Brusberg, Berlin, 1989, Abb. S. 20. 
Schmied, Wieland: Notizen Zu-Avramidis. In: Joannis Avramidis. Ausst.-Kat., wie 
Anm. 1, 8.6 f. 
Lichtenstern, Christa: Der «Bildhauer» Hans von Marges und seine verborgene 
Aktualität in der Plastik des 20. Jahrhunderts. In: Hans von Marees. Ausst.-Kat. 
München, 1987, 8.172. 
Semff, Michael: Säule — Figur — Symbol. Anmerkungen zu einem Thema der Skulp 
tur 1945-1960. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 23 (1993), S. 88. 
Joannis Avramidis. Skulpturen, Entwürfe, Zeichnungen. Ausst.-Kat. Kunsthalle 
Nürnberg, 1980, 0.5. (Avramidis im Gespräch mit Curt Heigl). 
Joannis Avramidis. Ausst.-Kat., wie Anm. 1, 5. 82. 
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